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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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regelrecht hinterherrennen. Juul war vollkommen blass, als ich ihn draußen auf der Straße einholte. Aber als ich fragte, behauptete er, nicht zu wissen, wer der Mann im Ryktet war. Danach fuhr ich ihn nach Hause, und er sagte mir gerade noch auf Wiedersehen, ehe er aus dem Auto stieg. Er wirkte irgendwie vollkommen außer sich. Ist zehnte Reihe okay?«
    Harry beugte sich zur Kasse hinunter und bat um zwei Karten. »Ich bin skeptisch.«
    »Warum?«, fragte Ellen. »Weil ich den Film ausgesucht habe?«
    »Im Bus habe ich gehört, wie eine Kaugummi kauende Göre zu ihrer Freundin sagte, Alles über meine Mutter sei ganz nett. Dieses ›nett‹.«
    »Was soll das heißen?«
    »Wenn diese Mädchen sagen, ein Film sei nett, kriege ich immer so ein Grüne-Tomaten-Feeling. Serviert man euch Mädels eine triefende Schnulze, die weniger Gehalt hat als eine Oprah-Winfrey-Show, meint ihr gleich, ihr hättet einen warmherzigen, intelligenten Film gesehen. Popcorn?«
    Er schob sie in der Kinoschlange weiter.
    »Du bist echt kaputt, Harry. Ein kaputter Mensch. Und weißt du was: Kim war eifersüchtig, als ich ihm sagte, ich wolle mit einem Kollegen ins Kino.«
    »Na, herzlichen Glückwunsch.«
    »Ach ja, ehe ich es vergesse«, sagte sie, »ich habe den Namen dieses Verteidigers herausgefunden, der Edvard Mosken junior vertreten hat. Und den seines Großvaters, der bei den Landesverrats-Prozessen beteiligt war.«
    »Ja?«
    Ellen lächelte.
    »Johan Krohn und Kristian Krohn.«
    »Interessant.«
    »Ich habe mit dem Staatsanwalt gesprochen, der bei der Verhandlung gegen Mosken dabei war. Mosken senior ist regelrecht Amok gelaufen, als das Gericht seinen Sohn für schuldig erklärte. Er hat Krohn tätlich angegriffen und lauthals behauptet, dass sich Krohn und sein Großvater gegen die Familie Mosken verschworen hätten.«
    »Sehr aufschlussreich «
    »Ich hab mir eine große Tüte Popcorn verdient, meinst du nicht auch?«
    Alles über meine Mutter war viel besser, als Harry befürchtet hatte. Doch mitten im Film, während des Begräbnisses von Rosa, musste Harry trotzdem eine tränennasse Ellen stören und fragen, wo Grenland liege. Sie antwortete ihm, dass das die Gegend um Porsgrunn und Skien sei, und durfte sich den Rest des Films in Frieden ansehen.
     
    Oslo, 8. März 2000
     
    50 Harry sah, dass der Anzug zu klein war. Er sah es, aber er verstand es nicht. Er hatte, seit er achtzehn war, nicht mehr zugenommen, und der Anzug hatte perfekt gepasst, als er ihn 1990 bei Dressman für die Examensfeier gekauft hatte. Trotzdem sah er im Aufzugspiegel, dass zwischen der Hose und den schwarzen Doc Martens seine Socken hervorguckten. Das war wieder eines dieser unerklärlichen Mysterien.
    Die Türen des Aufzugs glitten auseinander, und Harry hörte die Musik und das laute Reden und Lachen von Männern und Frauen, das ihm durch die geöffnete Kantinentür entgegenschallte. Er sahauf die Uhr. Viertel nach acht. Elf Uhr sollte reichen, dann konnte er wohl nach Hause gehen.
    Er hielt die Luft an, trat in die Kantine und sah sich um. Es war eine typisch norwegische Kantine – ein viereckiger Raum mit einem Glastresen (an dessen Ende man das Essen bestellte), hellen Möbeln aus irgendeinem Fjordtal und Rauchverbot. Das Festkomitee hatte sein Bestes gegeben, um all das Alltägliche mit Ballons und roten Decken zu kaschieren. Trotz des leichten zahlenmäßigen Übergewichts der Männer war das Geschlechterverhältnis auf jeden Fall ausgeglichener als bei den Festlichkeiten im Dezernat für Gewaltverbrechen. Es sah aus, als wäre es den meisten bereits gelungen, sich eine ganze Menge Alkohol zu sichern. Linda hatte etwas von diversen »Vorhergehenwirnoch …« -Verabredungen erzählt, und Harry war froh, dass ihn niemand dazu eingeladen hatte.
    »Wie gut du in einem Anzug aussiehst, Harry!«
    Das war Linda. Er erkannte die Frau in dem eng sitzenden Kleid kaum wieder, das ihre überflüssigen Pfunde, aber ebenso ihre üppige Weiblichkeit betonte. Sie hielt ein Tablett mit orangefarbenen Getränken vor ihm in die Höhe.
    »Äh … nein danke, Linda.«
    »Sei kein Frosch, Harry. It’s a party!«
     
    »Tonight we’re gonna party like it’s nineteen-ninety-nine …«, heulte Prince.
    Ellen beugte sich auf dem Fahrersitz vor und stellte das Radio leiser. Tom Waaler sah sie von der Seite an.
    »Nur ein bisschen laut«, sagte sie. Und dachte, dass es nur noch drei Wochen waren, bis der Lehnsmannbeamte aus Steinkjer an Ort und Stelle war und sie

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