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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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die Sache. Du bist doch ein guter Soldat, oder?« »Ja, aber …«
    »Und ein guter Soldat räumt hinter sich auf, nicht wahr?«
    »Ich hab doch bloß die Informationen zwischen dem Alten und Ihnen weitergegeben; Sie sind doch derjenige, der …«
    »Insbesondere, wenn man als Soldat eine dreijährige Haftstrafe absitzen müsste, die bloß wegen gewisser Verfahrensfehler zur Bewährung ausgesetzt wurde.«
    Sverre konnte sich selbst schlucken hören.
    »Woher wissen Sie das?«, erkundigte er sich heiser.
    »Kümmer dich nicht darum. Ich will bloß, dass du begreifst, dass du sicher nicht weniger zu verlieren hast als ich oder der Rest der Bruderschaft.«
    Sverre antwortete nicht. Das war nicht nötig.
    »Sieh das Ganze doch mal positiv, Olsen. Das ist der Krieg. Und da gibt es keinen Platz für Idioten und Verräter. Außerdem belohnt die Bruderschaft ihre Soldaten. Zusätzlich zu den zehntausend kriegst du noch einmal vierzigtausend, wenn der Job erledigt ist.«
    Sverre dachte nach. Daran, was er anziehen sollte.
    »Wo?«, fragte er.
    »Schous Platz in zwanzig Minuten. Nimm mit, was du brauchst.«
    »Trinkst du nichts?«, fragte Rakel.
    Harry sah sich um. Ihr letzter Tanz war so eng gewesen, dass man langsam auf sie aufmerksam werden konnte. Jetzt hatten sie sich an einen Tisch ganz hinten in der Kantine zurückgezogen.
    »Ich habe aufgehört«, sagte Harry.
    Sie nickte.
    »Das ist eine lange Geschichte«, fügte er hinzu.
    »Ich hab’s nicht eilig.«
    »Heute Abend möchte ich nur lustige Geschichten hören«, sagte er lächelnd. »Lass uns lieber über dich sprechen. Hattest du eine Kindheit, über die es sich zu reden lohnt?«
    Harry. hatte eigentlich mit einem Lachen gerechnet, doch er erntete nur ein mattes Lächeln.
    »Meine Mutter starb, als ich fünfzehn war. Aber abgesehen davon könnte ich über alles sprechen.«
    »Tut mir Leid «
    »Das muss dir nicht Leid tun. Sie war eine ungewöhnliche Frau. Aber wir wollten uns doch lustige Geschichten erzählen …«
    »Hast du Geschwister?«
    »Nein, es gibt nur mich und meinen Vater.«
    »Du musstest dich also alleine um ihn kümmern?«
    Sie sah ihn überrascht an.
    »Ich weiß, wie das ist«, sagte er. »Ich habe auch meine Mutter verloren. Mein Vater saß jahrelang auf einem Stuhl und starrte die Wand an. Ich musste ihn im wahrsten Sinne des Wortes füttern.«
    »Mein Vater besaß eine große Baumarktkette, die er selbst aufgebaut hatte. Ich dachte, das wäre sein ganzes Leben. Doch als Mutter starb, verlor er über Nacht jedes Interesse daran. Er verkaufte seine Anteile, ehe es ganz bergab ging. Und er hielt alle, die er kannte, auf Distanz. Mich eingeschlossen. Er wurde ein verbitterter, einsamer Mann.«
    Sie machte eine Geste mit der Hand.
    »Ich hatte mein eigenes Leben zu leben, hatte in Moskau einen Mann kennen gelernt, und Vater fühlte sich hintergangen, weil ich einen Russen heiraten wollte. Als ich Oleg mit nach Norwegen brachte, wurde das Verhältnis zwischen mir und meinem Vater sehr schwierig.«
    Harry stand auf und kam mit einer Marguerita für sie und einer Cola für sich wieder.
    »Schade, dass wir uns während des Jurastudiums nie begegnet sind, Harry.«
    »Ich war damals ein ziemlicher Trottel«, sagte Harry. »Ich war aggressiv gegen alle, die nicht die gleichen Platten und Filme mochten wie ich. Keiner konnte mich leiden. Nicht einmal ich selbst.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Das hab ich aus einem Film geklaut. Der Typ, der das sagte, versuchte, Mia Farrow anzubaggern – also im Film, meine ich. Ich hab nie ausprobiert, wie das im wirklichen Leben wirkt.«
    »Nun«, sagte sie und probierte ihre Marguerita, »ich finde, das war ein guter Start. Aber bist du sicher, dass du das mit dem Klauen nicht auch geklaut hast?«
    Sie lachten und sprachen über gute und schlechte Filme, gute und schlechte Konzerte, auf denen sie gewesen waren, und mit der Zeit wurde Harry klar, dass er den ersten Eindruck, den er von ihr gehabt hatte, deutlich korrigieren musste. So war sie zum Beispiel mit zwanzig allein rund um die Welt gereist, ein Alter, in dem Harry, was das Erwachsenendasein anging, bislang nur auf eine missglückte Interrailreise und ein aufkommendes Alkoholproblem verweisen konnte.
    Sie sah auf die Uhr.
    »Elf. Auf mich wartet jemand.«
    Harry spürte, wie sich sein Herz zusammenzog.
    »Auf mich auch«, sagte er und stand auf.
    »Ach ja?«
    »Nur das Monster unter meinem Bett. Kann ich dich noch nach Hause bringen?«
    Sie lächelte. »Das ist

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