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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Erfahrung.«
    »Hm. Wie lange?«
    »Ein paar Monate. Maximal sechs.«
    »Sechs?«, platzte es aus Harry heraus.
    »Sehen Sie das doch positiv, Harry. Sie haben keine Familie, auf die Sie Rücksicht nehmen müssten, keine …«
    »Wer sind die anderen im Team?«
    Meirik schüttelte den Kopf.
    »Kein Team. Nur Sie, so ist das am glaubwürdigsten. Und Sie erstatten Ihre Berichte direkt an mich.«
    Harry rieb sich das Kinn.
    »Warum ich, Meirik? Sie haben hier doch eine ganze Abteilung von Spionageexperten und Fachleuten für das rechtsextreme Milieu.«
    »Einmal muss man anfangen.«
    »Und was ist mit der Märklin-Waffe? Wir haben sie zu einem alten Nazi zurückverfolgt, und jetzt kommen diese Morddrohungen, unterzeichnet mit Heil Hitler. Sollte ich nicht lieber mit meiner Arbeit weitermachen und …«
    »Es bleibt so, wie ich es gesagt habe, Harry.« Meirik konnte jetzt nicht mehr lächeln.
    Irgendetwas stimmte hier nicht. Harry konnte es förmlich riechen,aber er wusste nicht, was es war oder woher der Wind wehte. Er stand auf und Meirik tat das Gleiche.
    »Sie fahren am Wochenende«, sagte Meirik. Er reichte ihm die Hand.
    Eine merkwürdige Geste, dachte Harry, und das schien in diesem Moment auch Meirik aufgefallen zu sein, denn er sah plötzlich ganz verlegen aus. Doch jetzt war es zu spät, die Hand hing hilflos, mit gespreizten Fingern zwischen ihnen, und Harry drückte sie hastig, um die peinliche Situation hinter sich zu bringen.
    Als Harry bei Linda an der Anmeldung vorbeikam, rief sie, dass ein Fax in seinem Postfach liege. Er nahm es mit. Es war Halvorsens Liste. Er ließ seine Augen über die Namen gleiten, während er über den Flur trabte und sich fragte, welchem Teil von ihm es wohl gut tun würde, sechs Monate mit Neonazis in einem Nest in Südschweden zu verbringen. Sicher nicht dem Teil, der nüchtern zu bleiben versuchte. Auch nicht dem Teil, der auf Rakels Antwort wegen des Essens wartete, und ganz sicher nicht dem Teil, der Ellens Mörder finden wollte. Er blieb wie angewurzelt stehen.
    Der letzte Name …
    Es war nicht überraschend, dass alte Bekannte auf der Liste auftauchten, doch das war etwas anderes. Das war das Geräusch, wenn er seine 38er Smith & Wesson reinigte und die Teile wieder zusammensetzte. Das glatte Klicken, das ihm verriet, dass alles stimmte.
    Im Laufe von Sekunden war er in seinem Büro und rief Halvorsen an. Der notierte sich seine Fragen und versprach zurückzurufen, sobald er etwas hätte.
    Harry lehnte sich zurück. Er konnte sein Herz schlagen hören. Es war gewöhnlich nicht seine Stärke, Bruchstücke von Informationen zusammenzusetzen, die anscheinend nichts miteinander zu tun hatten. Vielleicht hatte er gerade eine Inspiration. Als Halvorsen eine Viertelstunde später anrief, kam es Harry vor, als hätte er Stunden gewartet.
    »Es stimmt«, sagte Halvorsen. »Einer der Stiefelabdrücke, den die Spurensicherung am Tatort gefunden hat, stammt von Springerstiefeln, Marke Combat-Boots, Größe fünfundvierzig. Sie konnten die Marke bestimmen, weil die Stiefel noch fast neu waren.«
    »Und wissen Sie, wer Combat-Boots trägt?«
    »O ja, die sind Nato-zertifiziert. Eine ganze Reihe Angehöriger des Militärs in Steinkjer haben da immer Sonderbestellungen aufgegeben. Und ich weiß auch, dass die bei diesen englischen Fußballrowdys beliebt sind.«
    »Richtig. Skinheads. Bootboys. Neonazis. Haben Sie irgendwelche Fotos gefunden?«
    »Vier Stück. Zwei von der Aker Kulturwerkstatt und zwei von einer Demonstration vor dem alternativen Jugendzentrum ›Blitz‹ aus dem Jahre 1992.«
    »Trägt er auf einem davon eine Mütze?«
    »Ja, auf denen von der Kulturwerkstatt.«
    »Ein Combat-Mütze?«
    »Lassen Sie mich nachsehen.«
    Harry hörte Halvorsens Atem im Hörer. Harry schickte ein stilles Gebet zum Himmel.
    »Sieht aus wie ein Béret«, sagte Halvorsen.
    »Sind Sie sicher?«, sagte Harry, ohne seine Enttäuschung zu verbergen.
    Halvorsen war sicher genug und Harry fluchte laut.
    »Aber die Stiefel können uns vielleicht weiterhelfen?«, meinte Halvorsen vorsichtig.
    »Der Mörder hat die Stiefel doch bestimmt weggeworfen, sonst wäre er ein Idiot. Und dass er daran gedacht hat, die Spuren im tiefen Schnee zu verwischen, deutet nicht gerade darauf hin.«
    Harry zählte seine Knöpfe ab. Wieder hatte er dieses Gefühl, diese plötzliche Sicherheit zu wissen, wer der Täter war, und er war sich im Klaren darüber, dass das gefährlich war. Gefährlich, weil es den Zweifel

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