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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Idee.«
    »Echt? Kluger Junge, dieser Oleg.«
    Harry war glücklich. So glücklich, dass es ihm kaum möglich war, mit normaler Stimme zu sprechen. Und es war ihm scheißegal, dass Halvorsen ihn von der anderen Seite des Schreibtisches aus schief angrinste.
    »Können wir auf dich zählen?«, kitzelte ihn Rakels Stimme im Ohr.
    »Wenn ich das hinkriege, ja. Ich ruf dich später an.«
    »Ja, oder komm doch heute Abend zum Essen. Wenn du Zeit hast, und Lust.«
    Die Worte kamen derart übertrieben lässig, dass Harry das Gefühl hatte, sie müsse sie vorher eingeübt haben. Ein Lachen brodelte in ihm, und sein Kopf war so leicht, als hätte er irgendwelche Drogen genommen. Er wollte ja sagen, als ihm einfiel, was sie in diesem Restaurant gesagt hatte: Ich weiß, dass es nicht bei diesem einen Mal bleiben wird. Es ging ihr nicht um das Essen.
    Wenn du Zeit hast, und Lust.
    Wenn er Panik kriegen sollte, dann jetzt.
    Seine Gedanken wurden von einem Blinken am Telefon abgelenkt.
    »Du, ich hab ein Gespräch auf der anderen Leitung, das ich unbedingt annehmen muss. Kannst du einen Moment warten, Rakel?« »Na klar.«
    Harry drückte auf den viereckigen Knopf und hörte Møllers Stimme:
    »Der Haftbefehl geht klar und der Durchsuchungsbefehl ist unterwegs. Tom Waaler steht mit vier bewaffneten Leuten und zwei Einsatzwagen bereit. Ich hoffe nur inständig, dass dein Morseknilch im Bauch auch wirklich eine ruhige Hand hatte, Harry.«
    »Er sendet immer mal wieder einen Buchstaben, nie aber eine ganze Nachricht«, sagte Harry, während er Halvorsen signalisierte, sich die Jacke anzuziehen. »Ich melde mich.« Harry warf den Hörer auf die Gabel.
    Sie fuhren im Aufzug nach unten, als Harry einfiel, dass Rakel noch immer auf der anderen Leitung wartete. Er versuchte nicht einmal herauszufinden, was das bewies.
     
    Irisveien, 16. Mai 2000
     
    91 Der erste Sommertag des Jahres wurde langsam kühler, als der Polizeiwagen in das stille Villenviertel rollte. Harry fühlte sich schlecht. Nicht nur, weil er unter der schusssicheren Weste schwitzte, sondern weil es zu still war. Er starrte auf die Gardinen hinter den gestutzten Hecken, doch nichts rührte sich. Er hatte das Gefühl, in einem Western zu sein und in einen Hinterhalt zu reiten.
    Zuerst hatte Harry es abgelehnt, eine schusssichere Weste anzuziehen, doch Tom Waaler, der die Verantwortung für diesen Einsatz trug, hatte ihm ein einfaches Ultimatum gestellt: Weste anziehen oder zu Hause bleiben. Das Argument, dass eine Kugel aus einer Märklin-Waffe durch die Weste gehen würde wie das berühmte Messer durch warme Butter, hatte nur ein gleichgültiges Schulterzucken bei Waaler bewirkt.
    Sie fuhren mit zwei Wagen. Der andere, in dem Waaler saß, war über den Sognsvei und von dort durch die Kleingartenanlage in Ullevål gefahren, so dass er sich aus der anderen Richtung von Westen her über den Irisvei näherte. Er hörte Waalers Stimme im Walkie-Talkie knacken. Ruhig und sicher. Sie bat um die Position, wiederholte die Vorgehensweise und was im Notfall zu tun wäre. Dann bat sie jeden einzelnen Beamten, seine Aufgabe zu wiederholen.
    »Wenn er sehr gewieft ist, ist das Gartentor mit einem Alarm gekoppelt, wir steigen also über das Tor.«
    Er verstand seine Arbeit, das musste auch Harry eingestehen, und ganz offensichtlich wurde Waaler auch von den anderen im Auto respektiert.
    Harry deutete auf das rote Holzhaus.
    »Da ist es.«
    »Alfa«, sagte die Polizistin auf dem Vordersitz ins Walkie-Talkie. »Wir sehen dich nicht.«
    Waaler: »Wir sind gleich um die Ecke, haltet euch außer Sichtweite des Hauses, bis ihr uns seht, over.«
    »Zu spät, wir sind schon da, over.«
    »Okay, aber bleibt im Wagen sitzen, bis wir da sind, over und Ende.«
    Eine Sekunde später sahen sie den Kühler des anderen Polizeiwagensum die Ecke biegen. Sie fuhren die letzten fünfzig Meter bis zum Haus und parkten so, dass die Autos die Garagenausfahrt blockierten. Das andere Auto hielt unmittelbar vor dem Gartentor an.
    Als sie aus den Wagen stiegen, hörte Harry das leise, dumpfe Echo eines Tennisballs, der von einem nicht allzu hart bespannten Schläger getroffen wurde. Die Sonne schob sich langsam hinter den Ullern å s und aus einem Fenster drang der Geruch von gebratenen Schweinekoteletts.
    Dann begann die Show. Zwei Beamte sprangen mit entsicherten MP5-Maschinengewehren über das Gartentor und spurteten links und rechts um das Haus herum.
    Die Polizeibeamtin in Harrys Auto blieb sitzen, ihre

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