Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
Vom Netzwerk:
ich weitere Pläne gesponnen. Mein Problem ist noch immer, wie ich mir die Waffe besorge, die ich brauchen werde.
     
    Oslo, 15. November 1999
     
    111 … das Problem endlich gelöst zu sein schien, tauchte er auf Hallgrim Dale. Er war – was nicht sonderlich überrascht– völlig heruntergekommen. Ich hoffte noch einen Moment lang, er würde mich nicht wiedererkennen. Er hatte anscheinend die Gerüchte aufgeschnappt, dass ich während des Bombenangriffs auf Hamburg ums Leben gekommen sei, denn er hielt mich für einen Geist. Er begriff aber, dass irgendetwas im Gange war, und wollte Geld – Schweigegeld. Doch der Dale, den ich kannte, konnte nicht für alles Geld der Welt ein Geheimnis für sich behalten. So habe ich denn dafür gesorgt, dass ich der letzte Mensch war, mit dem er sprach. Es hat mir keine Freude bereitet, doch ich muss einräumen, dass mich die Tatsache, dass meine alten Künste nicht ganz vergessen zu sein schienen, irgendwie befriedigte.
     
    Oslo, 6. Februar 2000
     
    112 Seit über fünfzig Jahren treffen sich Edvard und ich sechsmal im Jahr im Restaurant Schroden. Alle zwei Monate, jeden ersten Dienstagnachmittag. Wir nennen das noch immer Stabstreffen, wie damals, als das Restaurant noch am Youngstorget lag. Ich habe mich oft gefragt, was es ist, das Edvard und mich verbindet, so unterschiedlich, wie wir sind. Vielleicht ist es nur unser gemeinsames Schicksal. Dass wir von den gleichen Geschehnissen geprägt wurden. Wir waren beide an der Ostfront, wir haben beide unsere Frauen verloren und unsere Kinder sind erwachsen geworden. Für mich ist das Wichtigste, zu wissen, dass ich Edvards volle Loyalität habe. Er vergisst natürlich nie, dass ich ihm nach dem Krieg geholfen habe; und auch später habe ich ihn noch das eine oder andere Mal unterstützt. So wie Ende der sechziger Jahre, als es mit seinem Trinken und den Pferdewetten so schlimm wurde und er beinahe seine ganze Spedition verloren hätte, wenn ich mich nicht um seine Spielschulden gekümmert hätte.
    Nein, es ist nicht mehr viel von dem aufrechten Soldaten übrig, der er in Leningrad war, doch mit der Zeit hat sich Edvard damit abgefunden, dass sein Leben nicht so verlaufen ist, wie er sich das vorgestellt hatte, und versucht, das Beste daraus zu machen. Er konzentriert sich auf sein Pferd und hat sowohl mit dem Trinken als auch dem Wetten aufgehört. Er begnügt sich jetzt damit, mir hin und wieder ein paar Insidertipps zu geben.
    Er war es übrigens, der mir erzählte, dass Even Juul ihn gefragt hatte, ob es sein könne, dass Daniel Gudeson noch am Leben sei. Noch am gleichen Abend rief ich Even an und fragte ihn, ob er langsam senil werde. Doch Even berichtete mir, dass er vor ein paar Tagen den Hörer seines Zweittelefons im Schlafzimmer abgenommen und dabei ein Gespräch mit angehört habe, in dem sich ein Mann als Daniel ausgab und seiner Frau einen entsetzlichen Schrecken eingejagt hätte. Der Mann am Telefon hätte gesagt, sie würde an einem anderen Dienstag wieder von ihm hören. Even meinte, er habe Geräusche gehört, die an ein Café erinnerten, und sich deshalb entschlossen, immer dienstags durch die Cafés zu ziehen, bis er den Telefonterroristen gefunden habe. Er wusste, dass sich die Polizei nicht um eine solche Bagatelle kümmern würde, und hatte auchSigne nichts gesagt, damit sie ihn nicht aufhalten konnte. Ich musste mir in den Handballen beißen, um nicht laut zu lachen, und wünschte ihm Glück, diesem alten Idioten.
    Seit ich die Wohnung in Majorstua bezogen habe, habe ich Rakel nicht mehr gesehen, doch wir haben miteinander telefoniert. Es scheint, als seien wir den Krieg beide leid. Ich versuche nicht mehr, ihr begreiflich zu machen, was sie mir und ihrer Mutter durch diese Heirat mit dem Russen aus einer alten bolschewistischen Familie angetan hat.
    »Ich weiß, dass du das als einen Verrat empfunden hast«, sagt sie. »Aber das liegt inzwischen so lange zurück. Lass uns nicht mehr darüber reden.«
    Es liegt nicht lange zurück. Nichts liegt mehr lange zurück.
    Oleg hat nach mir gefragt. Oleg ist ein guter Junge. Ich hoffe nur, dass er nicht ebenso eigensinnig und dickköpfig wie seine Mutter wird. Das hat sie von Helena. Sie sind sich so ähnlich, dass mir die Tränen kommen, während ich diese Zeilen schreibe.
    Nächste Woche kann ich mir Edvards Hütte leihen. Da werde ich dieses Gewehr testen. Daniel freut sich darauf.
     
    Es wurde grün und Harry gab Gas. Ein Ruck ging durch das Auto, als sich

Weitere Kostenlose Bücher