Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
Vom Netzwerk:
Ort, an den man mich kommandiert hatte. Wie die meisten anderen war er wegen Landesverrats zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden, dann aber, wie üblich, nach zweieinhalb Jahren entlassen worden.
    Wir sprachen über dieses und jenes und nach einer Weile entspannteich mich ein wenig. Ich lud ihn auf ein Bier ein, und wir redeten über die Baubranche, in der ich arbeitete. Ich sagte, was ich dachte: dass es das Beste für Leute wie uns war, etwas Eigenes zu beginnen, da sich die meisten Betriebe ja ohnehin weigerten, frühere Frontkämpfer einzustellen (vor allem die Betriebe, die während des Krieges mit den Deutschen zusammengearbeitet hatten).
    »Du auch?«, fragte er.
    Ich musste ihm also gestehen, dass es mir auch nicht groß geholfen hatte, später zur »richtigen« Seite übergelaufen zu sein; auch ich hatte eine deutsche Uniform getragen.
    Mosken saß die ganze Zeit mit der Andeutung eines Lächelns auf den Lippen da und schließlich konnte er sich nicht mehr beherrschen. Er erzählte, dass er alles unternommen hätte, um mich aufzuspüren, aber dass alle Spuren in Hamburg geendet hätten. Er wollte schon aufgeben, als er eines Tages den Namen Sindre Fauke in einem Artikel über Widerstandskämpfer las. Das hatte sein Interesse aufs Neue geweckt; er hatte herausgefunden, wo Fauke arbeitete, und angerufen. Und dort hatte man ihm den Tipp gegeben, dass er vielleicht bei Schrøder zu finden sei.
    Ich erstarrte wieder und dachte, jetzt kommt es. Doch was er sagte, war ganz anders als das, was ich mir vorgestellt hatte.
    »Ich konnte dir nie richtig dafür danken, dass du Hallgrim Dale daran gehindert hast, mich damals zu erschießen. Du hast mir das Leben gerettet, Johansen.«
    Ich zuckte, dumpf vor mich hinglotzend, mit den Schultern. Zu mehr war ich einfach nicht in der Lage.
    Mosken meinte, ich hätte mich als moralischer Mensch erwiesen, als ich ihn rettete. Schließlich hätte ich durchaus Gründe haben können, ihm den Tod zu wünschen. Wenn die Leiche von Sindre Fauke gefunden worden wäre, hätte er bezeugen können, dass ich vermutlich der Mörder war! Ich konnte dazu nur nicken. Dann sah er mich an und fragte, ob ich Angst vor ihm hätte. Ich wusste, dass ich nichts zu verlieren hatte, und erzählte ihm die ganze Geschichte, wie sie war.
    Mosken hörte zu, heftete ein paarmal sein Zyklopenauge auf mich, um sicherzugehen, dass ich nicht log, und manchmal schüttelte er den Kopf, doch er erkannte wohl, dass ich größtenteils die Wahrheit sagte.
    Als ich geendet hatte, bestellte ich noch mehr Bier für uns, und er erzählte von sich, dass sich seine Frau, während er im Gefängnis saß, einen neuen Mann gesucht habe, der sie und den Jungen versorge. Er könne das ja nachvollziehen, es sei sicherlich auch das Beste für Eduard junior, nicht mit einem Landesverräter als Vater aufzuwachsen. Mosken machte einen resignierten Eindruck. Er sagte, er wolle es in der Transportbranche versuchen, habe aber noch keinen der Jobs als Fahrer bekommen, um die er sich beworben hatte.
    »Kauf dir einen eigenen Lastwagen«, riet ich ihm »Du solltest auch versuchen, dich selbständig zu machen.«
    »Dafür fehlt mir das Geld«, sagte er und warf einen raschen Blick auf mich. Es begann mir zu dämmern. »Und auch die Banken haben nicht sonderlich viel für frühere Frontkämpfer übrig. Für die sind wir doch alle nur Banditen.«
    »Ich habe ein bisschen Geld gespart«, sagte ich. »Du kannst dir von mir etwas leihen.«
    Er lehnte ab, doch ich wusste, dass die Sache klar war.
    »Natürlich musst du mir auch Zinsen zahlen!«, sagte ich, und seine Miene hellte sich auf. Doch dann wurde er wieder ernst und meinte, es werde schwer für ihn werden, da es sicher eine geraume Zeit dauern werde, ehe er richtig Fuß fassen würde. Und so musste ich ihm erklären, dass diese Zinsen nicht hoch sein würden, eher symbolisch. Ich bestellte noch mehr Bier, und als wir ausgetrunken hatten und gehen wollten, gaben wir einander die Hand. Wir hatten ein Abkommen getroffen.
     
    Oslo, 3. August 1950
     
    106 … in Wien abgestempelten Brief im Kasten. Ich legte ihn auf den Küchentisch und sah ihn einfach nur an. Ihr Name und Absender standen auf der Rückseite. Im Mai hatte ich einen Brief an das Rudolph II. Hospital geschrieben, in der Hoffnung, dass jemand wusste, wo sich Helena befand, und den Brief weiterschicken würde. Für den Fall, dass irgendjemand den Brief öffnete, hatte ich nichts geschrieben, was uns in Gefahr bringen

Weitere Kostenlose Bücher