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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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immer zu tragen, und du hast keins bei dir?«
    Gudbrand antwortete nicht.
    »Du, der du mit diesem Bajonett der reinste Vollstrecker bist, Gudbrand, du hast es doch nicht zufällig verloren, oder?« Gudbrand antwortete noch immer nicht.
    »So etwas aber auch. Dann musst du wohl deins benutzen, Dale.«
    Gudbrand hätte seinem Unteroffizier am liebsten dieses große, starrende Auge ausgerissen. Rattenführer, das würde zu ihm passen! Eine Ratte mit Rattenaugen und Rattengehirn. Begriff er denn gar nichts?
    Sie hörten ein knirschendes Geräusch hinter sich, als das Bajonett durch den Sack schnitt, dann folgte ein Seufzer von Dale. Beide wirbelten sie herum. Im fahlen Licht des anbrechenden Tages starrte sie ein weißes Gesicht mit wahnsinnigem Grinsen und einem dritten, weit aufgerissenen Auge in der Stirn an. Es war Daniel, da gab es keinen Zweifel.
     
    Außenministerium, 4. November 1999
     
    14 Bernt Brandhaug sah auf seine Uhr und runzelte die Stirn. Zweiundachtzig Sekunden, sieben mehr als gewöhnlich Dann trat er über die Türschwelle des Sitzungszimmers, schmetterte ein gewollt frisches »Guten Morgen« und lächeltemit seinem berühmten weißen Lächeln den vier Gesichtern zu, die sich ihm zuwandten.
    Auf der einen Seite des Tisches saß Kurt Meirik vom PÜD gemeinsam mit Rakel, der Frau mit der unkleidsamen Haarspange, der ambitiösen Bekleidung und dem strengen Gesichtsausdruck Es fiel ihm auf, dass ihre Kleider ein wenig zu teuer für eine Sekretärin waren. Er vertraute noch immer seiner Intuition, die ihm sagte, dass sie geschieden war, doch vielleicht war sie reich verheiratet gewesen. Oder hatte reiche Eltern. Dass sie hier wieder auftauchte, bei einer Sitzung, deren Inhalt Brandhaug als vertraulich eingestuft hatte, deutete darauf hin, dass sie eine wichtigere Position im PÜD einnahm, als er zuerst angenommen hatte. Er entschloss sich, mehr über sie herauszufinden.
    Auf der anderen Seite des Tisches saß Anne Størksen zusammen mit diesem langen, dünnen Dezernatsleiter – wie war doch gleich sein Name? Erst brauchte er mehr als achtzig Sekunden bis zum Sitzungszimmer und jetzt erinnerte er sich nicht einmal mehr an den Namen. Wurde er langsam alt?
    Er hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als ihm wieder die Geschehnisse des letzten Abends ins Gedächtnis kamen. Er hatte Lise, die junge Amtsanwärterin im Außenministerium, zu einer Art Arbeitsessen eingeladen, wie er es genannt hatte. Anschließend hatte er sie auf einen Drink ins Continental eingeladen, wo er auf den Namen des Außenministeriums über ein Zimmer verfügte, das für besonders vertrauliche Sitzungen gedacht war. Lise hatte sich nicht lange geziert, sie war ein ehrgeiziges Mädchen. Aber es war ein missglücktes Tâté-à-Tâte gewesen. Alt? Ein einmaliger Lapsus, ein Glas zu viel, vielleicht, aber nicht zu alt. Brandhaug schob den Gedanken weg und setzte sich.
    »Danke, dass Sie alle so schnell kommen konnten«, begann er. »Die vertrauliche Natur dieses Treffens muss ich natürlich nicht unterstreichen; ich tue es aber dennoch, weil in diesem Punkt vielleicht nicht jeder der Anwesenden so viel Erfahrung hat.«
    Er warf allen außer Rakel einen schnellen Blick zu und signalisierte so, dass dieser Hinweis auf sie gemünzt war. Dann wandte er sich an Anne Størksen.
    »Wie läuft es eigentlich mit Ihrem Mann?«
    Die Polizeipräsidentin sah ihn leicht verwirrt an.
    »Mit Ihrem Polizei-Mann!«, beeilte sich Brandhaug zu präzisieren. »Hieß er nicht Hole?«
    Sie nickte Møller zu, der sich zweimal räuspern musste, ehe er zu sprechen begann.
    »Den Umständen entsprechend gut. Er war natürlich … erschrocken, aber … nun ja.« Er zuckte mit den Schultern, wie um zu verstehen zu geben, dass er nicht wusste, was er sonst noch sagen sollte.
    Brandhaug zog seine frisch gezupften Augenbrauen hoch.
    »Aber doch wohl nicht so erschrocken, dass er eine undichte Stelle darstellen könnte, oder?«
    »Wohl kaum«, antwortete Møller. Aus den Augenwinkeln sah er, dass die Polizeipräsidentin ihren Kopf rasch in seine Richtung drehte. »Das glaube ich nicht. Er ist sich über die delikate Natur dieser Sache im Klaren. Und er ist natürlich instruiert, über die Vorkommnisse völliges Stillschweigen zu bewahren.«
    »Das Gleiche gilt auch für die anderen Polizisten, die vor Ort waren«, fügte Anne Størksen hinzu.
    »Dann wollen wir hoffen, dass alles unter Kontrolle ist,« sagte Brandhaug. »Ich möchte Sie jetzt kurz über den

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