Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)
einwarfen, um in Stimmung zu kommen. Was die Drogen auch noch anrichten können, hatte ich bis dahin verdrängt.
Der Junge, den ich gerade gesehen habe, verkauft meinen Stoff nicht nur. Er ist von meinem Stoff auch 24 Stunden zugedröhnt. Der Junge, der mich für den Größten hält, ist so gut wie tot. Und ich habe ihn hingerichtet, mit meinem Stoff.
Noch an diesem Abend sage ich Mehmet, dass ich aus unserem Drogengeschäft aussteigen will. Ich erzähle ihm jedoch nichts von der Begegnung mit dem Dealer. Nur, dass ich es satthabe und etwas anderes machen will.
Mehmet versteht es. Wir haben in den vergangenen Jahren so viel Geld verdient wie andere Menschen in ihrem ganzen Leben nicht.
Mehmet und Anja trennen sich wenig später. Aber Mehmet macht mit der Kohle das Beste. Er gründet eine Firma, die gebrauchte Autos für den Verkauf aufarbeitet. Gründliche Innenreinigung, polieren, Beschädigungen kaschieren. Seine Kunden sind Autohändler und er verdient noch heute damit gutes, solides Geld.
Ich bin nicht so klug. Ich investiere mein Geld in mein nächstes Projekt. Den Laden habe ich mir schon vorher ausgeguckt, er befindet sich im Industriegebiet von Kamp-Lintfort. Ich nenne ihn »Titty Twister«, wie der Stripclub in From Dusk Till Dawn . Ich will da den besten Tabledance-Laden im Ruhrgebiet aufbauen. Wer arbeitet schließlich nicht gerne mit schönen Frauen? Und wer hat keinen Bock auf Party?
»Miami«
»Keine Gruppe unter den Prostituierten wächst so rapide wie die der Frauen aus Osteuropa. Mehr als ein Drittel der Profihuren in Deutschland, schätzen Experten, stammt inzwischen aus Polen, Bulgarien, Rumänien, Tschechien und aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. (…) Die Kalkulation der Zuhälter ist simpel: Der Import von jungen Frauen etwa aus dem fernen Asien oder Südamerika ist teurer und komplizierter als der kurze Trip nach Posen, Warschau, Prag oder Budapest.«
Der Spiegel , 20.1.1997, »Milliardengeschäft Frauenhandel«
Es ist eine schlechte Idee, mit einem Mercedes S-Klasse nach Polen zu fahren. Das Auto ist einfach zu teuer, zu auffällig, das weckt Begehrlichkeiten. Nicht umsonst verbieten es ja viele Mietwagenfirmen, mit Autos eines gewissen Wertes über die polnische Grenze zu fahren.
Ein Freund von mir, Markus, ist mit einer Polin zusammen. Als seine Cousine von ihr heiraten will, ein großes Familienfest, setzen wir uns in meine S-Klasse und fahren die 500 Kilometer nach Stettin.
Die Landschaft mit ihren bewaldeten Hügeln und Flüssen ist wunderschön. Stettin selbst hat viel von seiner Schönheit im Krieg verloren. Die Altstadt ist stark zerstört worden, vieles wurde nicht wiederaufgebaut – oder durch Betonklötze ersetzt. Man spürt in der Stadt, wie viel nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Bewegung ist. Überall ragen Kräne in den Himmel, es wird Geld verdient. Legales Geld – und viel illegales Geld.
Ab Ende der 90er-Jahre bin ich oft in den Staaten des ehemaligen Ostblocks. Der »Wilde Osten« ist für jeden im Milieu interessant. Plötzlich gibt es Waffen im Überfluss. Es gibt korrupte Beamte und es gibt neue Schmuggelwege für Drogen. Starke Männer, die bisher in Spezialeinheiten der kommunistischen Staaten verpflichtet waren, drängen nun auf den freien Markt. Und viele motivierte junge Frauen, die vom Wohlstand im Westen etwas abhaben wollen.
Jeder weiß, dass durch das Ende des Kalten Krieges die Karten im kriminellen Milieu in ganz Europa neu gemischt werden. Wer sich nicht um Kontakte nach Osteuropa bemüht, wird früher oder später aus dem Geschäft gedrängt.
Die Stettiner sind gastfreundlich und sie wissen zu feiern. Die Hochzeit ist ein schönes Fest, es wird viel gegessen und getrunken. Markus und ich setzen uns aber später am Abend ab, denn für uns ist der Polen-Besuch auch eine Geschäftsreise. Wir wollen nämlich einen Blick auf die Rotlicht-Clubs werfen. Da ich ja einen eigenen Club plane, kann es nicht schaden, mich inspirieren zu lassen.
Die Tabledance-Bars und Bordelle ähneln sich auf den ersten Blick auf der ganzen Welt. Es gibt etwas zu trinken, die Mädchen flirten mit dir, danach ziehen sie sich entweder aus oder du kannst mit einer aufs Zimmer gehen. Aber wenn du dich im Milieu auskennst, siehst du die kleinen Unterschiede. Geht es dem Club darum, den Gästen wirklich eine gute Zeit zu bieten, um so Stammgäste an sich zu binden? Oder geht es nur darum, möglichst schnell Touristen abzuzocken, die einmal und nie wieder kommen?
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