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Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)

Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)

Titel: Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianni Sander , Marc-André Rüssau
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eine weitere Treppe hoch in den zweiten Stock, in dem die Nuttenzimmer von einem Gang abgehen. Wahrscheinlich war das Gebäude früher einmal ein Hotel. Alle Türen stehen offen bis auf die Tür der Nummer drei.
    Aus dem Zimmer hören wir Geräusche, als würde jemand die Möbel umstellen. Ich drücke die Klinke herunter, muss mich dann aber mit aller Macht gegen das Holz stemmen, weil von drinnen ein Stuhl gegen die Tür gelehnt ist. Auf dem Bett in der Ecke kauert eine hagere Blonde mit kleinen Brüsten und Pagenschnitt. Sie ist Anfang 20, splitternackt und hat einen Bluterguss im Gesicht und Striemen auf den Brüsten. Der Freier hat wohl gedacht, er könne für kleines Geld eine Party mit ihr veranstalten, die nicht ihr Stil ist. Das Zimmer ist verwüstet, der Glastisch zertreten, ein Nachttisch umgeworfen und an der Tapete sind dunkle Spritzer, weil jemand eine Plastikflasche mit Babyöl mit aller Gewalt gegen die Wand geworfen hat. Immerhin ist es so wohl kein Problem, wenn wir bei unserem Gespräch mit dem Freier ein bisschen Sauerei machen.
    Der Freier steht mit dem Rücken zu uns, er ist nur mit einer Unterhose bekleidet. Als er sich umdreht, durchströmen Glückshormone meinen Körper. Ich bin ein gläubiger Mann, aber in diesem Moment hätte wohl selbst ein Atheist den Herrn gelobt.
    Adil fängt an zu heulen wie ein Kind, als er mich erkennt.

    Zwei Stunden später sind wir fast fertig mit ihm. Ziemlich lang haben wir uns den kehligen Singsang der marokkanischen Sprache angehört. Es ließ sich nicht sagen, wann Adil fluchte, wann er bettelte und wann er drohte. Aber eine schöne Sprache ist es.
    Jetzt sitzt Adil apathisch auf dem Rücksitz meines Autos. Er trägt immer noch nur seine Unterhose, die ist aber mittlerweile nicht mehr weiß, sondern voller Blut und Pisse. Keine Sorge, ich habe natürlich eine Plastiktüte auf den Sitz gelegt.
    Es geht mir nicht mehr nur darum, mir Respekt zu verschaffen oder mich zu rächen. Es geht mir auch um die Frau, an der er sich vergangen hat: Er hat die Prostituierte übel zugerichtet, sie mehrfach vergewaltigt. Das Mädchen hat danach nie wieder in diesem Job gearbeitet.
    Eigentlich sind wir nun fertig mit Adil, glauben, dass er seine Lektion gelernt hat. Allerdings sollen alle mitbekommen, was Adil widerfahren ist, um Nachahmer abzuschrecken. Ich brauche einen großen Paukenschlag. Aus PR-Gründen sozusagen.
    Die Idee, ihn an einer Maas-Brücke aufzuhängen, stammt von mir. Nackt soll er für alle sichtbar über der Maas baumeln. Also halten wir an einer Brücke im Innenstadtbereich, verschnüren ihn mit ein paar Abschleppseilen, allerdings nicht am Hals, und stoßen ihn über das Geländer. Er strampelt und hat auch seine Sprache schnell wiedergefunden. Wir können uns aber nicht lange daran freuen, denn wir hören ein Martinshorn und sehen auch schon den Streifenwagen, der über die Brücke auf uns zufährt.
    Irgendein braver Bürger wird sie gerufen haben. Zehn muskulöse Brecher, die mit ihren Autos den Verkehr auf der Brücke aufhalten und einen nackten Mann über der Maas aufhängen, das sorgt natürlich für Aufsehen.
    Wir ziehen erst einmal unsere Waffen und ballern herum, um Zeit zu gewinnen. Da unterscheiden sich Streifenpolizisten in den Niederlanden nicht von denen in Deutschland. Wenn zur Begrüßung geschossen wird, gehen die erst mal in Deckung und warten auf Verstärkung.
    Wir lösen das Seil, Adil stürzt in die Maas. Dann fahren wir ab.

    Adil hat seine Lektion übrigens nicht gelernt. Im Süden der Niederlande, in der Region Limburg, wurde er zwar nicht mehr gesehen, aber er ging hoch in den Norden, nach Rotterdam. So hatten wenigstens wir unsere Ruhe vor ihm.
    Der Charakter eines Menschen ist entscheidend, nicht, wie er sein Geld verdient. Adil war ein Drogenhändler wie wir, aber er war dreckig, unseriös, hatte kein Niveau.
    Unser Fehler war, dass wir uns überhaupt mit ihm eingelassen hatten. Als ich jung war, dachte ich noch, der Charakter der Menschen entwickele sich weiter. Dass jeder irgendwann merken würde: Was man sät, das erntet man auch.
    Heute weiß ich: Du kannst von einem Lügner niemals die Wahrheit erwarten. Du kannst mit einem Klatschweib keine Geheimnisse teilen und mit einem Betrüger niemals ehrliche Geschäfte machen.
    Ein paar Jahre später soll Adil dann richtig Ärger bekommen haben. Erst mit seiner eigenen Familie, die keinen Bock mehr hatte, dass Adil den Ruf der Sippe in den Dreck zog. Und kurz darauf mit der Justiz.

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