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Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)

Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)

Titel: Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianni Sander , Marc-André Rüssau
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Da verschwindet seine Spur.
    Wenn er nicht mehr im Knast sitzt, verkauft Adil wohl irgendwo Kebab. Und bescheißt seine Kunden wahrscheinlich beim Wechselgeld.

Hingerichtet
    Wir sind trotz unserer Umsätze unauffällig genug, um keine Begehrlichkeiten zu wecken. Das ist das Geheimnis, warum das Drogengeschäft zwei Jahre lang gut und reibungslos läuft. Mehmet ist für alle immer der Typ aus der Waschanlage geblieben. Was er nun genau macht, interessiert niemanden. Unsere Dealer, die armen Waisen aus dem Osten, kennt auch niemand. Den anderen, alteingesessenen Dealern sind sie suspekt.
    Für mich ist es nicht ganz so einfach. Ich bin allein durch mein Aussehen auffällig. Und ich muss die Geschäfte mit den Türchefs machen.
    Wer das aber allein macht, lebt gefährlich. Ich brauche also mächtige Partner. Aber Partner, vor allem mächtige, wollen natürlich mitverdienen. Bis ihnen dann womöglich einfällt, dass es vielleicht sogar besser wäre, dich ganz loszuwerden, um das Geschäft allein zu machen.
    Mein Trick ist: Ich inszeniere mich als unnahbaren Boss mit Kontakten zur türkischen Mafia. Ich gehe daher regelmäßig in türkische Clubs und treffe mich mit Leuten von den Grauen Wölfen. Die türkischen Faschisten finanzieren ihren politischen Kampf durch den Verkauf von Drogen oder sie nutzen ihren politischen Kampf, um eine Rechtfertigung für den Drogenhandel zu haben. Ich mache ein paar Geschäfte mit ihnen, nie wirklich große Sachen, aber so erscheine ich einflussreicher, als ich eigentlich bin.

    Es hätte so noch ewig weitergehen können, hätte ich nicht irgendwann in die Fratze eines Junkies geblickt … Ich stehe mittags vor dem »Poison«, einem Techno-Club in Duisburg. Zoran und Bülent, meine beiden Bodyguards, sind mit im Auto. Wir warten auf den Türchef, der seinen Briefumschlag abholen soll. Die Absprache ist folgende: Im Laden wird nur durch meine Leute gedealt, und die Türsteher machen ihnen keinen Ärger. Dafür bekommt der Türchef den Umschlag mit seinem Anteil darin.
    Plötzlich fällt mir ein Typ auf, der am Rand des Parkplatzes steht und immer wieder zu uns herüberguckt. Er ist schlaksig, ich schätze ihn auf höchstens 17 Jahre, er sieht aus, wie Raver damals eben aussehen: Baggy Pants, enges T-Shirt, Schnuller an einer Kette um den Hals. Hoffentlich ist das keiner von meinen Dealern, schießt es mir durch den Kopf.
    Viele der Piccos, die für uns verkaufen, kenne ich ja gar nicht. Denn Mehmet organisiert den Verkauf, ich den Einkauf. Der Typ auf dem Parkplatz würde vom Alter her genau passen. Er steht etwa 15 Meter von uns entfernt und starrt uns an. Als Zoran und Bülent gerade aussteigen wollen, um ihn zu vertreiben, verschwindet er in Richtung Straße. Kurz darauf kommt der Türchef heraus, wir tauschen ein paar Floskeln aus und er bekommt den Briefumschlag. Als wir uns entspannt zurücklehnen, zufrieden, dass der Deal reibungslos über die Bühne gegangen ist, klopft es an meine Scheibe.
    Ich drehe mich zum Fenster. Da steht der Typ, ich sehe in seine Augen mit tiefen Ringen darunter – er scheint seit Tagen nicht mehr geschlafen zu haben. Erst jetzt kann ich das ganze Ausmaß seines Verfalls erkennen: Die Zähne sind weggefault und er hat sicher 15 Kilogramm zu wenig auf den Rippen. Er sieht aus wie ein Heroinabhängiger.
    Ich drücke auf den Knopf für den elektrischen Fensterheber, weil ich hören will, was der Typ von mir will. Obwohl ich bereits eine dunkle Ahnung habe.
    »Gianni, ich wollte dir danken«, sagt der Typ und streckt seine Hand durchs Fenster, »ich bin stolz, für dich zu arbeiten, zu euch zu gehören.«
    »Danke, Mann«, antworte ich stotternd.
    »Ich hab mein Leben lang eins auf die Fresse gekriegt. Jetzt traut sich keiner mehr, mich anzufassen«, sagt mein Dealer. Dann beginnt er geradezu zu schwärmen, dass er für mich arbeitet. Ich würde ihm alles ermöglichen, genug Geld, genug Drogen, Respekt seiner Freunde. Er meint das tatsächlich ernst. Aber wenn dir eine lebende Leiche sagt, dass du sie zu dem gemacht hast, was sie ist, nimmt dich das mit – auch wenn sie dafür Danke sagt.
    Wir plaudern noch kurz, dann fahren wir ab, lassen den Junkie auf dem Parkplatz stehen.
    Ich zittere. Auf einen Schlag ist mir klar, wie dumm und verblendet ich gewesen bin. Wie grundlegend und schwer der Fehler gewesen ist, den ich gemacht habe. Ich habe gedacht, dass meine Drogen niemandem schaden. Ich kannte ja nur die Partygänger, die am Wochenende ein bisschen was

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