Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)
einfach auf mich zu, weicht dann im letzten Moment aus und fährt um mich herum. Wenn er nicht will, dann eben nicht, denke ich. Damit ist die Sache für mich eigentlich erledigt. Ich habe mein Gesicht gezeigt, zwar hat es kein Gespräch gegeben, aber das Gerede im Milieu wird sein Übriges tun, dass die Jungs Kontakt zu mir aufnehmen.
Damit soll ich recht behalten, denn eine Woche später steht Apache bei mir im Laden.
»Du erzählst überall, ich würde mich vor dir verstecken?«, sagt er mit nur schwer verborgener Wut.
Ich schaue ihn freundlich an: »So ein Quatsch. Ich wollte mit dir reden, aber du bist einfach weggefahren. Doch jetzt bist du ja da.«
Die Situation entspannt sich sofort und wir freunden uns mit der Zeit sogar an. Richtig einsteigen kann ich bei ihm allerdings nicht, schließlich muss ich mich ruhig verhalten, um bei der Polizei nicht aufzufallen. Aber immerhin bekomme ich so etwas von den spannenden Zeiten in Hannover mit, während ich mich in Lehrte verstecke.
Denn Apache befindet sich, wie alle Türken im Hannoveraner Rotlicht, zu dieser Zeit auf dem Rückzug. Eine Gruppe, die eigentlich niemand mehr so richtig auf dem Zettel hatte, wird immer mächtiger: die Deutschen. Und zwar in Gestalt einer Motorradgang, der Bones. Der Chef der Bones, Frank Hanebuth, hat eine erfolgreiche Strategie entwickelt. Er hat dafür gesorgt, dass an den Wochenenden jedes Bones-Chapter aus den umliegenden Gemeinden Leute nach Hannover entsandte. So kam er auf eine große Mannschaftsstärke, es sollen in Hannover bis zu 200 Bones durch die Straßen patrouilliert sein. Die ausländischen Gruppen, die bisher das Steintorviertel dominiert hatten, wussten, dass sie nicht so viele gute Leute aufbringen konnten. Hinzu kam, dass die Polizei vor Ort die Bones als das geringere Übel wahrnahm. Sie gingen ihren Geschäften ruhig nach. Bevor die Bones für Ordnung sorgten, gab es viel Ärger im Hannoveraner Rotlicht: Gewalt gegen Prostituierte, Rivalitäten zwischen den Türken und den Albanern. Außerdem waren die Regeln und Gebräuche der Ausländer der Polizei fremd. Mit den Motorradfahrern konnten sie mehr anfangen,
Auch das Milieu arbeitete gern mit den Bones zusammen. Mit mehr Ruhe liefen auch die Geschäfte der Bordell-Chefs besser. Eine Tür nach der anderen fiel daher an die Bones.
Dann traf Frank Hanebuth eine der wichtigsten Entscheidungen für die deutsche Rockerszene. Denn der Ex-Boxer wusste, dass er nur dauerhafte für Ruhe sorgen konnte, wenn er keine zu starken Gegner hatte. Der ständige Kampf gegen die anderen Gruppen im Steintorviertel verdarb das Geschäft.
Hanebuth war nicht verborgen geblieben, dass sich die Rockerszene internationalisierte. Dass sich auf der Welt vor allem Hells Angels und Bandidos gegenüberstanden. Er war dann auch einer der Männer, die dafür sorgten, dass sich die Bones 1999 den Hells Angels anschlossen, und den Motorradclub damit zu der bis heute dominierenden Kraft in Norddeutschland machten. Er selbst wurde Chef des Hells Angels Charters Hannover, mit 60 Mitgliedern das wichtigste Charter in Deutschland.
So trieb er die ausländischen Banden endgültig aus dem Steintor.
Dass er das Steintorviertel befriedet hat, brachte ihm Hochachtung in ganz Hannover ein. Was der Polizei jahrelang nicht gelungen ist, haben die Hells Angels geschafft. Hanebuth gehörte damit zur besseren Gesellschaft von Hannover.
Schon ganz zu Beginn sah ich die Expansion der Hells Angels kritisch. Für mich als Christ wirkt bereits der Name abschreckend. Mir erscheinen die nicht wie eine Bruderschaft, auch nicht wie eine straff organisierte kriminelle Vereinigung. Sondern wie eine Sekte. Die ihr Heidengeld mit Merchandising-Produkten macht.
Trotzdem, in den Kampf gegen die Hells Angels einzusteigen, kommt trotz meiner Freundschaft zu Apache nicht infrage. Ich muss mich ruhig verhalten. Außerdem kämpfen die Türken auf verlorenem Posten.
Wenn ich die Polizei wäre, würde ich bei einer Hells-Angels-Versammlung eine Führerscheinkontrolle machen und ein paar Reporter dazuholen. Da würde nämlich herauskommen, dass die meisten der Easy-Rider-Typen nicht mal einen Motorradführerschein besitzen.
Kurz bevor ich aus dem Restaurant in Lehrte aussteige, das mein letztes Kapital auffrisst, kann ich schließlich noch meine Rechnung mit Alex begleichen, der mich in Aruba für 200 000 Mark umbringen wollte oder zumindest vor seinen Freunden damit geprahlt hat.
Im Restaurant gibt es einen Stammgast:
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