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Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)

Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)

Titel: Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianni Sander , Marc-André Rüssau
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in den Monaten in U-Haft war die Langeweile. Mit den anderen Gefangenen kann man durch die Wasserrohre kommunizieren. Man muss den Überlauf abschrauben, dann kann man sich mit dem Typen in der Zelle nebenan unterhalten.
    Ich weiß jetzt, wer mich verpfiffen hat. Es war tatsächlich Mike, der wohl so viel Angst vor den Türken hatte, dass er lieber seinen Partner in den Knast brachte, anstatt Rückgrat zu zeigen. Ich lese die Aussage meiner Freundin, die bei der Polizei sogar noch gegen mich ausgesagt hat.
    Ein halbes Jahr bleibe ich in Untersuchungshaft. Ich vermale in dieser Zeit 20 Kugelschreiber. »Na, da werden wir neu streichen müssen, wenn Sie in Santa Fu sind«, sagt ein Schließer, er behandelt mich aber korrekt.
    Bei meinem nächsten Verhör ist die Stimmung der Polizisten gelöst.
    »Herr Sander, endlich wissen wir, wer Sie sind.« Der graue Beamte triumphiert.
    Zum Verhängnis ist mir, wie ich später erfahre, ein vorläufiger Pass aus Essen geworden. Einer der letzten meiner echten Ausweispapiere. Das Foto ist das gleiche, das ich in dem französischen Pass benutzt habe. Das war die Verbindung zwischen Jan Sander und Jean Martin Renoir.
    »Dann hätte ich jetzt gerne einen Anwalt«, sage ich.

    Mein Strafverteidiger ist gut. Den Rest erledigen die Gesetze des Milieus. Niemand sagt vor Gericht gegen mich aus. Sogar Mike, der bei der Polizei noch geredet hat wie ein Wasserfall, verweigert vor Gericht die Aussage. Vor Gericht wird niemand belastet. Selbst Mike hat wohl ein bisschen Ehre im Leib. Auch die anderen Zeugen aus dem »Château« können sich an nichts mehr erinnern.
    Der angebliche Doppelmord in der Ukraine wird gar nicht weiter untersucht – die Osteuropäer können nichts beibringen, was auch nur für einen Anfangsverdacht reichen würde. Bei den Sachen in Deutschland hat sich die Polizei zwar redlich bemüht, Beweise heranzutragen – aber erfolglos. Wie auch: Ich habe mit dem Mordversuch an dem Türsteher ja nichts zu tun.
    Was bleibt, sind ein paar Waffen und gefälschte Dokumente. Also bekomme ich eine Bewährungsstrafe: drei Jahre und sechs Monate. Als freier Mann marschiere ich aus dem Gerichtssaal.
    Ich weiß selbst, dass ich da Glück gehabt habe. Die Hamburger Justiz hat mich korrekt behandelt. Aber das Rotlichtmilieu der Hansestadt hat mich zutiefst verletzt. Mein eigener Partner hat mich bei der Polizei verraten, als es ernst wurde. Und meine Freundin hat sich, als es ernst wurde, gegen mich gestellt.
    Ich bin enttäuscht und gekränkt. Also fahre ich zum Flughafen, um mein Glück weit weg zu versuchen.

Argentinien
    Michael sieht aus wie Humphrey Bogart. Er ist 57 Jahre alt, Argentinier und tingelt durch Australien und Neuseeland. Michael hat sich eine 19-jährige Studentin aus Deutschland, aus Kassel, angelacht. Kerstin hat wohl einen Vaterkomplex, deswegen ist sie Michael verfallen. Sie war für work and travel nach Down Under gekommen, und das bot ihr Michael auch, jedoch vielleicht etwas anders, als sich ihre Eltern das vorgestellt hätten. Michael schickte Kerstin in eine Tabledance-Bar nach der anderen, um die gemeinsame Reisekasse aufzufüllen.
    Während sich Kerstin an der Stange rekelt, ein Kleidungsstück nach dem anderen von ihrem Körper zupft, sitzt Michael an der Bar und erzählt Geschichten. Er ist ein begnadeter Geschichtenerzähler und er hat Charme.
    Die Geschichte, die er mir bei einem Foster’s-Bier in Melbourne auftischt, ist die: Er war wegen seiner Frau nach Australien gegangen, in Argentinien stammt er aus einer wohlhabenden Familie mit besten Kontakten. Sein Geschäftssinn machte ihn dann auch in Australien reich: Er baute ein gut gehendes Möbelhaus auf, das heute noch große Umsätze macht. Aber dann verliebte sich seine Frau in einen anderen Mann, ließ sich scheiden. Michael war davon so überrumpelt, dass er sich keinen ordentlichen Scheidungsanwalt nahm und fast all sein Geld an seine untreue Exfrau verlor. Seither ist er gezwungen, durch die Tabledance-Bars zu tingeln.
    »Mich hält hier nichts mehr, ich gehe zurück nach Argentinien«, sagt Michael zu mir und setzt seine Bierflasche an den Mund.
    »Ist vielleicht nicht die beste Zeit. Da ist gerade alles zusammengebrochen«, antworte ich.
    In Argentinien tobt die Wirtschaftskrise, das Land ist bankrott.
    »Das ist ja gerade meine Chance«, meint Michael. »Die etablierten Strukturen sind kaputt, ideale Zeiten für Männer wie uns. Jetzt musst du da investieren.«
    Die Idee klingt wirklich gut.

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