Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)
einmal an und meint nur: »Das glaube ich nicht.«
Dann ziehen mich fünf Beamte aus dem Auto.
Im Polizeiwagen denke ich darüber nach, was ich in den letzten Jahren gemacht habe. Und ich denke an all die Dinge, die ich angeblich gemacht haben soll. Jetzt habe ich wohl ein ernsthaftes Problem.
Im Knast
Ich würde einen Polizisten nie als »Bullen« bezeichnen. Die Jungs machen ihren Job, die einen besser, die anderen schlechter. Sie setzen Gesetze durch. Wenn ich mit ihnen zu tun habe, ist es nie etwas Persönliches zwischen dem Beamten und mir. Es ist nur ein berufliches Zusammentreffen. Und wer im Milieu arbeitet, weiß, dass er früher oder später mit der Polizei zu tun haben wird.
Als sie mich ins Gefängnis fahren, bin ich nett, freundlich und plaudere über Belanglosigkeiten.
Ich komme in eine sogenannte Lichtzelle. Was eigentlich ganz schön klingt, bedeutet, dass das elektrische Licht rund um die Uhr an bleibt. Ein Fenster gibt es nicht. Ich lege mich auf die Pritsche. Schon nach kurzer Zeit verliere ich jedes Zeitgefühl. Liege ich jetzt schon eine Stunde hier? Oder zwei? Dann geht die Tür auf, zwei Beamte holen mich ab zum ersten Verhör. Das Verhörzimmer hat den Charme eines osteuropäischen Behördenzimmers. Vor mich setzt sich ein im Dienst ergrauter Beamter mit Halbglatze.
»Wir haben den Hinweis bekommen, dass Sie in illegale Geschäfte verwickelt sind. Als Erstes würde ich gerne Ihre Identität klären. Sie haben uns einen falschen Pass gezeigt. Wie heißen Sie denn wirklich?«
Ich beharre darauf, Franzose zu sein. Natürlich würde ein Französisch-Dolmetscher reichen, um mich sofort zu enttarnen. Ich spreche zwar etwas Französisch, aber bei Weitem nicht gut genug, um als Franzose durchzugehen. Trotzdem will ich die Sache so lange durchziehen wie irgendwie möglich. Wenn sie meinen Namen nicht haben, können sie mich nicht für die Sachen aus dem Ruhrgebiet anklagen.
Nach dem Verhör lege ich mich wieder auf die Pritsche. Ich schließe die Augen. Ich kann nicht schlafen, das Licht flimmert durch meine Augenlider. Irgendwann nicke ich doch weg.
Bei meinem zweiten Verhör werde ich wieder als Erstes nach meinem Namen gefragt. Ich schweige, starre am rechten Ohr des Beamten vorbei ins Leere.
»Wir haben mit Ihrer Freundin gesprochen«, sagt der Polizist.
Sie hat bestimmt nichts gesagt, denn sie spricht nicht mit Polizisten. Außer sie sind Freier. Der Polizist merkt, dass er mich so nicht aus der Reserve locken kann. Er lehnt sich zurück, verschränkt die Hände in seinem Nacken.
»Wir haben Ihre Wohnung in St. Georg durchsucht. Sie sammeln Waffen?«
Das ging schnell. Von der Wohnung weiß nur mein Partner. Mike will mich also richtig reinhängen. Ich zucke nur mit den Schultern. Gut, ein paar Waffen, Verstoß gegen das Waffengesetz, dafür fahre ich nicht lange ein. Wenn überhaupt.
»Fangen wir doch mit etwas Einfachem an. Sagen Sie uns Ihren Namen. Und woher Sie kommen«, setzt der Polizist noch einmal an.
Ich spitze die Lippen, beginne zu pfeifen. Die » Marseillaise« , die französische Nationalhymne.
»Aux armes, citoyens! Formez vos bataillons! Marchons, marchons!«
Der Polizist schüttelt nur den Kopf und lässt mich zurück in die Zelle bringen.
Ich gehe in der Zelle auf und ab. Wie ein gefangenes Tier.
Bei jedem Verhör hat die Polizei etwas mehr über mich herausgefunden. Beim nächsten Mal erfahre ich, dass sie den Koffer mit meinen gefälschten Dokumenten gefunden haben. Falscher Personalausweis, falscher Pass, falscher Führerschein, alle mit unterschiedlichen Namen. Im Pass sind ein paar Stempel, Osteuropa, aus meiner Drogenhandel-Zeit. Die Polizei will wissen, was ich in den Ländern gemacht habe.
Die Verhöre werden länger, die Fragen komplexer. Sie locken, sie drohen. Aber ich sage nichts.
Nach drei Tagen werde ich ins Untersuchungsgefängnis Holstenglacis verlegt. Ich bekomme eine Einzelzelle. Es ist die letzte Zelle ohne Strom. Das heißt: keine Möglichkeit, einen Fernseher oder ein Radio in der Zelle zu betreiben. Ich bin selbst schuld. Ich wollte in jedem Fall in eine Einzelzelle und habe deutlich gemacht, dass es für alle Beteiligten am besten wäre. Mich widert der Gedanke an, mit irgendeinem Kriminellen das Zimmer teilen zu müssen. Als Erstes reiße ich den Klodeckel von der Schüssel. Dann lege ich mich auf die Pritsche. Ich beginne mit einem Kugelschreiber an die Wand zu kritzeln. Ich male zerfließende Uhren wie Salvador Dalí.
Das Schlimmste
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