Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)
Straßenstrich, über meine Zeit im Knast, die illegalen Waffen, den Drogenhandel.
Was sage ich meinem Sohn, wenn er mich fragt, was ich beruflich mache?
Irgendwann holen die Ärzte meinen Sohn dann per Kaiserschnitt. Sein Kopf ist zu groß, um auf natürlichem Weg herauszukommen. Den Dickschädel hat er schon mal von mir geerbt. Die Schwester bringt meinen Sohn aus dem OP, er ist in eine weiße Decke gewickelt. Dann legt sie ihn in meine Arme. Die ersten Stunden bin ich mit Tyron allein, während Sonja aus der Narkose erwacht.
Ich trage Tyron über die Gänge der Klinik. Bald schläft er ein. Mich durchströmt das schöne Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Ich habe jetzt einen Nachkommen.
Drei Tage nach der Geburt fährt Sonja zu ihrer Familie nach Frankfurt. Sie will in Ruhe stillen, weit weg vom Kiez, die Großeltern helfen ihr. Ich unterstütze sie darin. Der Kiez ist wirklich kein Ort, an dem man die ersten Monate seines Lebens verbringen sollte.
Als sie nach ein paar Wochen zum ersten Mal zurück nach Hamburg kommt, merke ich, dass unsere Beziehung einen Knacks bekommen hat. Sie hat meinen Sohn in Frankfurt gelassen. Ich bin darüber enttäuscht, obwohl ich natürlich verstehen kann, dass sie ihm die Reise noch nicht zumuten will.
Wir treffen uns in einem Steakrestaurant. Sonja lässt sich volllaufen, vor mir sitzt wieder die Hure, die sie immer war. Ich werde wütend. Über Tyron erzählt sie nur ein paar Sätze, dann drehen sich ihre Gespräche wieder um den Kiez, um das Geschäft. Sie erzählt mir, dass in München besseres Geld zu verdienen sei, dass sie sich überlegt, dahin zu gehen.
Da ich bei einem Geschäftspartner Geld abholen muss, muss ich kurz weg. Als ich nach einer halben Stunde zurückkomme, ist Sonja verschwunden. Ein Kellner erzählt mir, dass sie weitergetrunken hat und dann mit einem Typen weggefahren ist. Da ist mir klar, dass unsere Beziehung wohl nicht mehr besteht.
Heute lebt sie mit meinem Sohn weit weg von Hamburg. Ich kann nicht viel darüber erzählen, um sie und meinen Sohn nicht zu gefährden. Ich sehe meinen Sohn Tyron fast nie.
Das klingt vielleicht so, als würde ich mich meiner Verantwortung nicht stellen. Aber schon als mein Sohn geboren wurde, war ich tief im Milieu verstrickt, und ich weiß, wie erpressbar mich ein Kind macht. Als ich mich mit den Hells Angels angelegt habe, hätte mich nie so verhalten können, wie ich es getan habe, wenn ich über die eventuellen Auswirkungen für meinen Sohn hätte nachdenken müssen.
Heute gibt mir der Gedanke an meinen Sohn Kraft. Wenn alles schiefgeht und ich irgendwann im Rotlichtkrieg mein Leben verliere, dann ist immerhin noch mein Sohn da.
Die Macht auf dem Kiez
»Vor dem Gebäude demonstrieren kurz vor Prozessbeginn mehr als 60 Frauen. Mit Spruchbändern wie: ›Liebe und Lust sind frei. Wir brauchen kein Gericht dabei‹. (…) Zunächst ist der Prozess bis zum 30. Januar 2007 terminiert. Sollte sich die Anklage bewahrheiten, drohen den Angeklagten lange Haftstrafen. Zwischen Januar 2001 und dem 17. November 2005 sollen die Angeklagten als Führungsriege der Gruppe 196 Frauen zur Prostitution gezwungen und das meiste Freiergeld selbst kassiert haben.«
Hamburger Abendblatt , 15.6.2006, »Damendemo für Marek-Bande«
Etwa 60 Huren haben sich vor dem Strafjustizgebäude der Hansestadt Hamburg versammelt. Sie tragen Arbeitskleidung: kurze, sehr kurze Röcke, neonfarbene Kapuzenpullis, hohe Stiefel. Sie haben Schilder gemalt, auf einem steht: »Lasst unsere Männer frei«. Vor dem altehrwürdigen Hamburger Gericht – erbaut 1882 – wird nicht oft demonstriert. So kann sich der Richter im Saal 337 einen Kommentar zu den Prostituierten vor dem Gebäude nicht verkneifen. »Meist ist es ja so, dass man Männer lieber loswerden möchte.«
Vor ihm sitzen Zuhälterkönig Carsten Marek und neun seiner Männer. Sie sind der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, des gewerbs- und bandenmäßigen Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung sowie der Zuhälterei angeklagt. Insgesamt sollen 85 Männer zur Marek-Bande gehören, die Gruppe nennt sich »Hamburger Jungs«. Laut Staatsanwaltschaft kontrollieren sie 140 Nutten auf dem Kiez.
Carsten Marek ist spektakulär festgenommen worden. Er saß in einem guten Restaurant in der Nähe der Hamburger Reeperbahn, aß gerade eine Platte Meeresfrüchte. Da stürmten schwer bewaffnete Beamte des Mobilen Einsatzkommandos in das Restaurant, drückten Carsten Marek zu
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