Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)
Boden. Zuvor warfen sie eine Blendgranate, um Marek und seine Begleiter kampfunfähig zu machen.
Ich kenne Carsten Marek gut. Als Zuhälter kam ich kaum an ihm und seinen Jungs vorbei. Das war aber nicht schlimm, denn Carsten war ein Ehrenmann. Er hielt sich an Absprachen, hatte seine Leute im Griff. Mit ihm war die Zusammenarbeit deutlich einfacher als mit den Hells Angels oder den Albanern, die auch auf dem Kiez aktiv waren.
Deswegen stehen wohl auch die Nutten vor der Tür und fordern die Freilassung des Zuhälterkönigs. Die Lokalpresse spekuliert zwar, ob die Mareks aus der Untersuchungshaft die Demo angeordnet haben könnten. Das ist aber absurd. Es passt nicht zum Selbstbild des Zuhälters, dass sich seine Frauen für ihn einsetzen, wenn er in Schwierigkeiten ist. Die Nutten machen sich wirklich Sorgen: Wenn Carsten Marek weg ist, werden zwangsläufig andere Zuhälter die Macht auf dem Kiez bekommen. Wahrscheinlich werden ein paar Monate Unruhe herrschen, bis sich die nächste starke Gruppe durchgesetzt hat, und das ist schlecht fürs Geschäft. Und ob das, was dann kommt, besser für die Huren ist, bezweifeln die Demonstrantinnen vor dem Gericht stark. Es stehen ja nur die Hells Angels und die Albaner in den Startlöchern. Beide Gruppen gelten als wenig zimperlich.
Die Hamburger Jungs sind so etwas wie ein Relikt aus vergangenen, besseren Zeiten. In anderen Städten haben längst ausländische Banden oder Rockergruppen die Macht übernommen. Besonders die Ausländer können auf Strukturen zurückgreifen, die es ihnen ermöglichen, schnell Frauen aus dem Ausland in die Bordelle in Deutschland zu bringen. Konkurrenz, die von den Nutten gefürchtet wird. Mehr Frauen bedeutet: Jede einzelne verdient weniger Geld. Die Rockerbanden kombinieren Zuhälterei mit Schutzgelderpressung, Drogenhandel und Waffenschiebereien.
Die Hamburger Jungs sind einfach Zuhälter, die sich zusammengeschlossen haben, um ihr Geschäft besser zu organisieren. Sie können so, da sie mehr Frauen zur Verfügung haben, schneller und flexibler reagieren. Wenn in einem Bordell mehr Freier sind, können sie dort auch mehr Frauen einsetzen. Bei Problemen sind schnell mehr schlagkräftige Männer verfügbar. Zusätzliche Einnahmequellen suchen sich die Zuhälter nicht, sie wollen nur ihr eigenes Geschäft besser organisieren. Diese Form der Zusammenarbeit auf dem Kiez hat seit den 70er-Jahren Tradition. Damals war es die »GMBH«, benannt nach ihren Chefs Gerd, Mischa, Beatle und Harry. Sie organisierten das Rotlichtgeschäft wie ein mittelständisches Unternehmen, mit strikt getrennten Aufgabenbereichen. Gerd kümmerte sich um die Finanzen, Mischa, auch »der schöne Mischa« genannt, warb neue Huren an und betreute die Frauen. Beatle war zuständig für die Sicherheit und Harry verwaltete die Immobilien. So konnten vier Männer knapp 90 Zuhälter und 1000 Huren kontrollieren.
In den 80er-Jahren machten dann junge Zuhälter der GMBH das Geschäft streitig, von den etablierten Zuhältern abschätzig »Nutella-Bande« genannt. In den 90er-Jahren dominierten dann die Hamburger Jungs um Carsten Marek.
Natürlich gab es immer auch andere Gruppen, die Einfluss im Milieu hatten. Die Türken, die Albaner, die Hells Angels. Zumindest auf der Reeperbahn ging aber nichts ohne den jeweils stärksten Zuhälterverbund.
Mit dem Prozess gegen Carsten Marek, der sich fast ein Jahr lang hinzieht, werden die Hamburger Jungs stark geschwächt. Erst nach 388 Tagen Untersuchungshaft bekommen Carsten Marek und seine Männer Haftverschonung. 40 Frauen kommen, um mit Carsten Marek vor dem Gefängnis anzustoßen, es gibt Champagner aus Plastikbechern. Mit Mercedes-Limos und Sportwagen werden die Zuhälter vom Gefängnis abgeholt.
Fast alle Zeugen aus dem Milieu haben im Gerichtssaal geschwiegen, wie es der Ehrenkodex vorsieht. Das Milieu regelt seine Probleme selbst, ohne Polizei. Also gibt es kaum verwertbare Aussagen, deswegen stützt sich die Anklage hauptsächlich auf abgehörte Telefonate. Die sind für die Öffentlichkeit spannend, denn sie geben zum ersten Mal einen authentischen Einblick, wie Zuhälter arbeiten.
Aus dem Protokoll:
Puffmutter: »Claudia war Freitag die beste. Fantastisch! Mir gefällt sie sehr!«
Marek: »Dann muss ich doch mit der zusammengehen.«
Puffmutter: »Die Kleine muss noch ’n bisschen lernen, aber du weißt, dass sie in dich verschossen ist …«
Marek: »Die ist mir so unsauber. Ich habe die mal abgeschminkt gesehen,
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