Rott sieht Rot
muss mich noch umziehen.«
»Und dafür brauchst du ein paar Stunden. Ist mir klar.«
Jutta bewies adlige Contenance und ließ sich nicht provozieren. »Na und? Ein schöner Anlass erfordert schöne Vorbereitungen. Das ist ja noch gar nichts gegen die Hochzeit.«
»Zieh doch gleich das Kleid an, das du dann tragen willst, und lass es einfach eine Woche an«, schlug ich vor. »Dann hast du Zeit gespart.«
»Remi, ich muss feststellen, du bist ein richtiger Zyniker geworden. So kenne ich dich gar nicht.«
Ich ging nicht darauf ein und fragte: »Warum wohnen die beiden Star-Brautleute eigentlich nicht zusammen? Sülzbach scheint jedenfalls in seinem Haus in Remscheid-Hackenberg allein zu leben.«
Es entstand eine Pause, in die sich Juttas Erstaunen lautlos hineindrängte. »Sein Haus in Hackenberg? Woher kennst du das denn?«
»Ich war gestern Nachmittag und heute da.«
»Was? Warum?«
»Sülzbach hat mich angerufen und eingeladen.«
Sie lachte kurz. »Blödsinn! Du veräppelst mich, oder?«
Ich folgerte messerscharf, dass Sülzbachs Haus so eine Art Heiligtum darstellte. Wer da hin durfte, hatte es geschafft. Und Jutta war es offensichtlich noch nicht gelungen.
»Keineswegs. Er hatte einen kleinen Auftrag für mich.«
»Davon weiß ich ja gar nichts.«
»Es scheint Dinge zu geben, die sogar an dir Vorbeigehen. Was ist nun mit den beiden?«
»Sie ziehen nach der Trauung zusammen«, sagte Jutta. »Tristan ist im Moment sehr viel beruflich unterwegs. Sie sind noch nicht dazu gekommen, eine gemeinsame Wohnung einzurichten.«
»Wie lange kennen sich die beiden eigentlich schon?«
»Warum bist du so neugierig?«
»Weil du mir erzählt hast, dass sie sich durch dich kennen gelernt haben.«
»Deswegen interessiert dich das?«
»Nur deswegen. Du kannst es mir ruhig erzählen.«
»Tja, also, das war so. Anfang des Jahres war ich in einem Konzert in der Stadthalle in Wuppertal. Da habe ich Tristan kennen gelernt. Ich war begeistert von ihm. So ein netter Mann, und so gebildet und kultiviert…«
»Warum hast du ihn dir nicht selbst geangelt? Du lässt doch sonst nichts aus. Ah - ich kann’s mir denken. Du warst besetzt.«
»Siehst du, das meine ich mit zynisch«, sagte Jutta. »Schon diese Ausdrucksweise.« Dann fuhr sie mit ihrer Kuppelgeschichte fort. »Ich dachte mir, dass Agnes endlich mal einen netten Mann kennen lernen musste. Sie hatte in den letzten Jahren so viel gearbeitet - ich gönnte es ihr.«
»Und da hast du Tristan einfach gesagt, gehen Sie doch mal mit meiner Freundin aus …«
»Quatsch, das wäre viel zu plump. Ich habe natürlich weibliche Raffinesse angewandt. Als wir uns in der Pause beim Sekt unterhielten, erfuhr ich, dass er in Remscheid wohnt. Genau wie Agnes. Ich behauptete einfach, ich müsste noch am selben Abend von Düsseldorf aus überraschend geschäftlich nach Rom fliegen, und ich hätte ein Problem …«
»Ein Problem?«
»Ganz genau. Ich behauptete, meine beste Freundin müsste von mir am nächsten Tag einen geliehenen Schal zurückbekommen. Ich wüsste aber nicht, wie ich das bewerkstelligen sollte, wo ich doch nicht da sei.« Sie lachte wieder - offenbar weckte die Geschichte in ihr fröhliche Erinnerungen.
»Und da hast du ihn mit deinem Schal zu Agnes geschickt.«
»Erraten. Genial, oder? Natürlich habe ich Agnes am selben Abend noch telefonisch vorbereitet…«
»Und da hat sie sich gefreut. Ein zukünftiger Ehemann frei Haus - wer kriegt das schon.«
»Sie war natürlich sehr überrascht. Aber als Tristan dann in den Laden kam, hat es sofort gefunkt.«
»Das ist ein Ding. Wo die Liebe hinfällt.«
»Ja«, sagte Jutta und seufzte. »Romantische Sache. Da könnte man direkt neidisch werden.«
»Ja, ja …«
»Remi?«
»Was?«
»Sag mal, wäre es nicht auch mal an der Zeit, dass du eine Frau findest?«
»Wie meinst du das?«
»Wie ich es sage. Wenn du eine nette Freundin hättest, würdest du dich besser fühlen. Und den Zynismus würdest du dir dann vielleicht auch wieder abgewöhnen …«
»Liebe kommt, Liebe geht«, sagte ich. Etwas dämlich, aber mir fiel nichts Besseres ein.
»Du solltest Tristan mal sehen. So verliebt, wie der ist… Kein Auge mehr für eine andere - so was merkt man ja als Frau.«
Ich habe ihn schon mit einer anderen gesehen, wollte ich einwenden. Sogar mit einer anderen, die gerade seine Hochzeit torpediert. Aber ich war froh, dass Jutta offenbar völlig vergessen hatte, mich Näheres über Tristans Auftrag zu fragen.
Umso
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