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Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Signe Danielsson , Roman Voosen
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Gab’s bei uns in Torgau aber nicht. Wir haben immer gekuscht. Die Angst war zu groß. «
    Wieder zuckte er mit den Schultern. Entwaffnend. Er sah sie weiterhin an.
    »Und was ist dir passiert?«
    Forss zögerte. Sie griff sich ans Ohrläppchen, so wie sie es immer tat, wenn sie unsicher wurde. Das hier war ungewohnt. Diese Offenheit. Diese Unbefangenheit. Der fremde Mann da vor ihr, der ihr in der ersten Minute ihres Kennenlernens das Drama seiner Lebensgeschichte angeboten hatte. Ein Mann, der aussah wie eine schlimme Karikatur ihrer selbst. Sie schluckte.
    »Mein Vater hat mich geschlagen. Meine Mutter und mich«, sagte sie schließlich.
    »Ich verstehe.«
    Vielleicht tat er das wirklich.
    Der Kellner kam und brachte ihr Bier. Bröring bestellte sich auch eins. Forss trank den halben Humpen in einem Zug aus.
    »Er stirbt«, sagte sie. »Er hat einen Tumor im Kopf und bald ist er tot.«
    »Das tut mir leid.«
    »Das muss es nicht.«
    »Kannst du ihm verzeihen?«
    »Ich ...«
    »Du solltest ihm verzeihen.«
    »Ich weiß es nicht.« Forss beugte sich vor. »Konntest du diesem Aufseher aus Torgau verzeihen?«
    Er sah sie an.
    »Ja«, sagte er. »Verzeihen ist wichtig. Nur dann kann man loslassen und weiterleben.«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Arbeitest du deshalb bei der Jahn-Behörde? Weil du Experte fürs Verzeihen bist?«
    Jetzt sah er erstaunt aus.
    »Das ist möglich«, sagte er. »So habe ich meinen Beruf noch nie betrachtet. Aber du hast vielleicht recht. Die Menschen, die zu uns kommen, möchten verstehen. Begreifen, was ihnen damals angetan wurde von Nachbarn, Kollegen, Freunden, Familie. Das ist der erste Schritt zum Verzeihen. Das ist der erste Schritt, um weiterleben zu können.«
    Die Nudeln und neue Getränke kamen. Forss aß, Bröring trank und rauchte. Keiner sprach. Die Schatten zwischen den Bäumen des Parks wuchsen zu schwarzen Räumen. Um die bunten Lampen tanzten Mücken. Die Luft war noch immer warm. Als sie mit dem Essen fertig war, holte Bröring eine Mappe aus einer Umhängetasche und schlug sie auf.
    »Eine Kathrin Winkler aus Görlitz«, sagte er, während er in den Papieren blätterte, »war nach heutigem Forschungsstand zu keinem Zeitpunkt Mitarbeiterin des MfS.«
    »MfS?«
    »Ministerium für Staatssicherheit. Die Stasi.«
    »Nein?«
    »Nein, tut mir leid. Muss aber auch nicht unbedingt etwas heißen. Wir haben annähernd vierzig Millionen Karteikarten und mehr als einhundert Kilometer Akten. Die sind natürlich noch längst nicht alle ausgewertet oder wiederhergestellt. Außerdem wurden auch nicht alle Mitarbeiter des MfS durchgängig mit ihren Klarnamen geführt. Kathrin Winkler kann also durchaus als eine IM Erna gewirkt haben und die Verbindung zu ihrem echten Namen ist längst vernichtet oder verschollen.«
    »Oh.«
    »Trotzdem bin ich auf gewisse Weise fündig geworden.«
    Er lächelte. Es sah fürchterlich aus. Trotzdem wurde Forss warm ums Herz.
    »Ja?«
    »Ja. Kathrin Winkler taucht in einem Bericht von 1987 auf. Verfasser ist ein IM Hans aus einem Schriftsetzerbetrieb in Görlitz. Ich zitiere:
    Die Genossin Winkler arbeitet zuverlässig und ist belastbar. Zwar noch unerfahren im Umgang mit den Maschinen, zeigt sie sich lernfähig und entwickelt ein gutes Gespür für die Schrifttypen. Obwohl erst vor drei Monaten aus der BRD in die Deutsche Demokratische Republik eingewandert, hat sie keine Probleme mit dem richtigen Klassenstandpunkt. Sie erscheint ideologisch vorbildlich geschult und vertritt ihre Ansichten argumentativ sicher und offensiv .«
    »In die DDR eingewandert?«
    »Soll es gegeben haben. Nicht oft, aber es kam vor. In Fürstenwalde gab es sogar ein Aufnahmelager für Einwanderer aus dem Westen.«
    »Was waren das für Leute?«
    Wieder hob Bröring die Schultern.
    »In den frühen Jahren wahrscheinlich überzeugte Kommunisten, sozialistische Träumer, was weiß ich? Wer 1987 noch freiwillig in die DDR übergesiedelt ist, muss meines Erachtens allerdings wirklich mit geistiger Blindheit geschlagen gewesen sein.«
    Er hob sein Bierglas.
    »Zum Wohl, Frau Forss.«
    Force .
    »Auf das Vergeben und Verzeihen!«, sagte er.
    Sie sah lange in Brörings defektes Gesicht. Wie in einen Spiegel. Kann ich dir wirklich vergeben und verzeihen, Vater? Wo ich doch so gar nichts fühle, wenn ich bei dir bin? Ist das der Grund, warum ich zu dir nach Hause, warum ich zurück nach Schweden gekommen bin? Um dir zu verzeihen?
    »Skål«, sagte sie und trank ihr Glas in einem Zug

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