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Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Signe Danielsson , Roman Voosen
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etwa gleich alt seien. Das stimmte zwar, aber hatte es auch eine Bedeutung? Dahlin stammte aus Linköping, seinen Werdegang hatten sie mittlerweile sehr gut rekonstruiert. Andersson war ihren Unterlagen zufolge in Landskrona geboren und aufgewachsen, bevor er als junger Mann in Malmö in den Postdienst eingetreten war. Nach Lessebo war er Anfang der Neunzigerjahre gezogen. Verwandtschaft gab es keine, Andersson war ein Einzelkind gewesen, seine Eltern waren schon lange tot, als letzter Verwandter war in den Achtzigern ein Onkel gestorben. Wenn sich die Biografien der beiden also irgendwo gekreuzt hatten, dann war es am wahrscheinlichsten in den vergangenen Jahren in Växjö oder der näheren Umgebung passiert. Diesen Berührungspunkt galt es zu finden – wenn es ihn denn überhaupt in der Wirklichkeit gab, und nicht nur in der Fantasie eines Wahnsinnigen. Sie mussten im Leben der beiden Männer jedes Blatt, jeden Stein umdrehen. Dazu würde morgen endlich die angeforderte Verstärkung kommen, zwei IT-Experten aus Jönköping, die Delgado bei der Arbeit am Computer unterstützen sollten. Nyström sah zu dem Mann mit den südamerikanischen Wurzeln hinüber. Vor ihm auf der Tischplatte lag eine Armee aus selbst gedrehten Zigaretten, die er gedankenverloren hin und her rollte. Neben Hugo Delgado saß Lars Knutsson, er hatte die Hände auf dem Bauch verschränkt. So sitzt er oft, dachte Nyström. Wie ein Fels, dem nichts etwas anhaben kann. Dennoch nahm sie die ungewohnte Nervosität wahr, die er heute ausstrahlte, ein unregelmäßiges Zucken seiner fleischigen Finger. Er wirkte wie ein Mann, der viel zu viel Kaffee getrunken hatte. Göran Lindholm schwitzte. Seine schwere, modische Brille rutschte immer wieder bis auf seine Nasenspitze hinab, was sein eulenhaftes Aussehen unterstrich. Die Ärmel seines karierten Hemds waren hochgekrempelt. Vielleicht sollte das Tatkraft zum Ausdruck bringen oder ihm war einfach nur zu heiß. Anette Hultin hatte einen starken Sonnenbrand. Auf ihrer roten Nase löste sich bereits die Haut. Sie sah erschöpft aus. Und dann war da Stina Forss. Ihre Sommersprossen leuchteten. Irgendetwas lag da in ihren Gesichtszügen, den Mundwinkeln. Nyström war sich nicht sicher, aber es wirkte wie ein versonnenes, ja, beinahe zufriedenes Lächeln. Sie sah auf ihre Armbanduhr, es war bereits Viertel nach acht. Es gab nichts mehr, was noch zu sagen gewesen wäre. Sie beendete die Besprechung und schickte alle nach Hause.
    »Schlaft so viel wie nötig. Und kommt morgen so früh zurück, wie es euch möglich ist«, sagte sie zum Abschied.
    Auf dem Flur traf sie Erik Edman. Er hatte am Beginn der Besprechung teilgenommen, war aber immer wieder aus dem Raum gestürzt, um Telefonate zu führen. Die letzten zwei Stunden hatte er ganz gefehlt.
    »In mein Büro«, zischte er. Sie bemerkte rote Flecken in seinem sonst so hübschen und gepflegten Gesicht. »Jetzt!«
    Aus irgendeinem Grund schien die Klimaanlage in dem geräumigen Arbeitszimmer ihres Chefs zu funktionieren. Sofort wurde ihr kühler, ein angenehmes Gefühl. Sie setzte sich auf einen der eleganten Besucherstühle vor den Schreibtisch. Edman, der sie vor sich hergeschoben hatte, umrundete sie und ließ sich dann ihr gegenüber auf seinen lederbezogenen Drehstuhl fallen. Sofort zog er sich an den Schreibtisch heran und richtete seinen Oberkörper auf, eine Geste, die unter anderen Umständen vielleicht bedrohlich gewirkt hätte, aber Edman war eher schmal gebaut und Nyström überragte ihn im Stehen um mindestens fünf Zentimeter.
    »Du hast ein Riesenproblem, Ingrid.«
    Er starrte sie an und sie starrte zurück.
    »Wir haben zwei fürchterliche Morde. In drei Tagen. Natürlich ist das ein Problem. Für uns alle hier.«
    »Das meine ich nicht!«
    Edman ließ seine manikürte Hand auf der Schreibtischkante trippeln.
    »Es geht um das, was du gesagt hast!«
    Ihr Gesicht war ein Fragezeichen. Plötzlich merkte sie, dass sie fror. Was hatte sie gesagt?
    »Was habe ich gesagt ...?«
    »Gestern, auf der Pressekonferenz, verdammt noch mal!«
    Jetzt fiel es ihr wieder ein. Die Frage der Journalistin.
    Kann die Gefährdung weiterer Personen ausgeschlossen werden?
    Sie hatte die Frage bejaht. Sie hatte die Öffentlichkeit in Sicherheit gewiegt. Aber sie hatte sich geirrt, sie hatte die Situation falsch beurteilt. Eine fatale Fehleinschätzung, wie sich jetzt herausgestellt hatte. Ein zweiter Mann musste sterben, war auf bestialische Weise getötet

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