Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)
Olofs undeutlicher Aussprache. Von grammatikalischen Fehlern. Sie sagte, sie habe den Eindruck gehabt, er sei manchmal etwas langsam gewesen, im Denken, meine ich.«
»Blödsinn!«
Alving ließ seine Riesenhand auf die Arbeitsplatte knallen. Die Venen unter seiner Haut traten hervor. Da war sie, die Wut, von der Nyström geschrieben hatte.
»Olof war kein Idiot! Er hat ganz einfach wie jemand gesprochen, der nicht von hier war!«
»Wie meinst du das? Nicht aus Lessebo? Nicht aus Småland?«
Alving sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren.
»Nein, nicht aus Schweden natürlich!«
12
Sara Saale bat Forss und Knutsson in ihr großes, kühles Haus. Forss schlüpfte aus ihren Ballerinas, Knutsson kämpfte sich aus seinen Trekkingsandalen: Das schimmernde, nach teuren Ölen duftende Parkett hätte jede Art von Schuhwerk als Vergewaltigung empfunden. Sie folgten der großen, schlanken Frau in den Salon, wo sie in hell bezogenen Sesseln Platz nahmen. Forss bemerkte als Erstes die großformatigen, abstrakten Ölgemälde an den Wänden; qualitativ hochwertige Malerei, die nichts gemein hatte mit der amateurhaften Pinselei, die in Dahlins Wohnung hing. Allein die Rahmung der drei blaugrauen Informel-Bilder in dem lichtdurchfluteten Raum war wahrscheinlich teurer gewesen als der Gegenwert von Dahlins kompletter Inneneinrichtung. Sie waren ein ungleiches Paar gewesen, dachte Forss, wahrscheinlich nicht nur, was ihre finanziellen Möglichkeiten anging.
»Was kann ich für euch tun?«, fragte Saale mit unkonturierter Stimme. »Oder habt ihr seinen Mörder bereits gefasst?«
Sie sah aus wie der Geist einer sehr attraktiven Frau, fand Forss. Das beinahe durchsichtig wirkende Abbild einer außergewöhnlichen Schönheit. Hatte Dahlins Ableben das bewirkt? Diese Transparenz, das Durchscheinen ihrer Haut? Hatte sein Tod auch etwas in ihr verlöschen lassen? Den Glanz ihrer dunklen Augen? Eine so schöne Frau, dachte Forss, und trotzdem hatte sich Dahlin sexuell herumgetrieben. Warum, um alles in der Welt? Er war zwanghaft, hatte sein Freund Högvall gesagt. Trotzdem konnte sie das nicht verstehen. Aber sollte ausgerechnet sie einen Getriebenen verurteilen?
»Nein«, sagte Knutsson. »Leider nicht.« Sein Bass hallte in dem hohen Raum. »Aber du hast es bestimmt schon gehört, es gibt ein zweites Opfer, einen weiteren Toten – wir gehen davon aus, dass es sich um denselben Mörder handelt.«
Knutsson schien in den Tiefen des italienischen Möbelstücks zu versinken.
»Oh«, sagte Sara Saale. »Nein, davon habe ich nichts gehört.«
Ihre Stimme klang, als käme sie von einem beschädigten Tonband. Als wäre sie vor langer Zeit aufgenommen worden.
»Was bedeutet das?«
Sie sah weder zu Knutsson noch zu Forss, während sie sprach. Ihr Blick war woanders. Vielleicht nach innen gerichtet oder weit zurück in eine Vergangenheit ohne Schmerz.
»Das wissen wir leider noch nicht«, sagte Forss. »Darum sind wir hier und müssen dich stören.«
»Stören?«, fragte Saale und lachte tonlos. Es klang vollkommen unheimlich. »Wobei denn stören?«
Weder Knutsson noch Forss wussten, was sie darauf antworten sollten. Aus einem Nebenzimmer klang leise klassische Musik, ein Piano, vielleicht Debussy, möglicherweise aber auch nicht, was wusste Forss schon von Klassik?
»In deiner Trauer«, sagte sie schließlich vorsichtig.
»Ach so«, sagte Saale und wischte sich Tränen aus den großen grauen Augen. Sie trug eine Art seidenen Hausanzug in schwarz. Ihre nackten Füße bohrten sich in die Fransen eines hellen Lederteppichs.
»Kennst du diesen Mann? Es ist der zweite Tote, Olof Andersson. Könnte Janus ihn gekannt haben?«
Knutsson wühlte sich aus dem Sessel und legte das Foto auf die Platte des niedrigen Glastischs. Saale beugte sich vor, um zu sehen. Ihre halbe Brust fiel aus dem unzureichend geknöpften Seidenoberteil, eine blasse Geisterbrust, aber Saale schien das nicht zu registrieren. Forss war Knutsson dafür dankbar, dass er ostentativ in eine andere Richtung sah. Ja, die Ölgemälde waren wirklich sehr interessant. Dann ließ Saale sich wieder in das Sofa zurückfallen, auf dem sie saß, und auch ihr Busen rutschte wieder an seinen Platz.
»Nein«, sagte ihre Tonbandstimme. »Ich habe diesen Mann noch nie gesehen. Und ich erinnere mich auch nicht, dass Janus jemals diesen Namen erwähnt hat. Anders Olofsson?«
»Olof Andersson«, korrigierte Knutsson.
»Nein, auch den nicht.«
»Trotzdem«, sagte Forss,
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