Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)
konnten. Das Foto gehörte zu einem englischen Ebay-Angebot.
Original East German Training Suit, ASV (Armeesportvereinigung Vorwärts), Official Uniform NVA (Nationale Volksarmee)
Das Gebot stand bei 17 Pfund.
»Zombies«, sagte Delgado. »Aus der Deutschen Demokratischen Republik.«
12
Das Telefonat zwischen Nyström und Delgado dauerte fast eine Viertelstunde. Nyström stellte wenige Zwischenfragen. Delgado war gut darin, Sachverhalte strukturiert und verständlich wiederzugeben. Forss und Raipanen hörten über die Lautsprecherfunktion des Handys mit.
»Natürlich«, murmelte Forss und rieb sich mit der flachen Hand die Wange. »Second-Hand-Shops in Berlin. Dort habe ich diese Anzüge schon einmal gesehen.«
Bevor Nyström das Gespräch beendete, wies sie Delgado an, gleich am Morgen jemanden mit dem Bild von Frederika Hakelius bei der Nachbarin von Olof Andersson vorbeizuschicken, die ihn im Garten mit einer modisch gekleideten Frau gesehen haben wollte. Dann verabschiedete sie sich und legte auf.
»Aber was heißt schon Frederika Hakelius? Oder Olof Andersson?«, fragte sie. »Es waren doch ganz andere Menschen. Deutsche, wie es aussieht. Ostdeutsche, um genau zu sein. Und was ist mit Janus Dahlin? Ist der auch falsch? Ich meine, ich habe schließlich seinem Vater und seinem Bruder gegenübergestanden. Ihren Schmerz gefühlt. Das kann doch nicht alles Lug und Trug gewesen sein!«
Nyström sah entsetzt aus, fand Forss. Wie jemand, der herausfindet, dass er hintergangen worden ist.
»Nein«, sagte sie. »Dahlin war Dahlin. Ihn haben wir auf Herz und Nieren überprüft. Ein Schwede aus Linköping mit einer linksextremen Biografie. Und genau das macht ihn zu einem perfekten U-Boot.«
»U-Boot?«, fragte Nyström.
»Denkt doch mal nach. Was sollen die drei denn sonst gewesen sein? NVA-Klamotten, falsche Identitäten, innere Mauern. Spitzel waren sie, Spione, nennt es, wie ihr wollt. Dahlin haben sie wahrscheinlich während seiner Studienzeit in Deutschland rekrutiert, Mitte der Achtziger. Und Andersson und Hakelius, beziehungsweise Herr Hans und Frau Gretel, müssen auch irgendwann vor der Wende hierhergekommen sein. Mit Helfershelfern im schwedischen System, sonst wären sie ja niemals an die falschen Namen, Personennummern, Identitäten gekommen.«
Raipanen seufzte. »Es gab doch letztes Jahr diese Debatte über die Archive des Geheimdienstes Säpo. Eine Historikerin, die sich vor Gericht Zugang zu den Akten erstritten hat, hat ein Buch über schwedische Stasi-Agenten geschrieben, allerdings unter strengsten Auflagen. Sie durfte sich während ihrer Arbeit in den Archiven keine Notizen machen, sie durfte keinen der ehemaligen Agenten kontaktieren und musste alle Namen anonymisieren. Ich habe das Buch selbst nicht gelesen, aber es war eine Geschichte, die medial richtig viel Wirbel erzeugt hat. Expressen hat daraufhin im Frühjahr den Fall eines ehemaligen Stasi-Agenten aufgedeckt, der als Pfarrer in Burträsk lebt, hier ganz in der Nähe. Burträsk liegt gerade einmal vierzig Kilometer von Skellefteå.«
»Schwedische Stasi-Agenten?«
Forss sah Reipanen fragend an.
»Ja, im Kalten Krieg war gerade das neutrale Schweden für die DDR nicht uninteressant. Ich glaube, sie haben Stockholm oft als Treffpunkt für Spione und Agenten genutzt. Darunter waren auch Schweden, die für die Stasi gearbeitet haben. Was da genau vor sich ging, ist immer noch ein großes Geheimnis, und die Säpo gibt nicht preis, was sie davon gewusst hat. Klar ist aber, dass die meisten Schweden, die für die Stasi gearbeitet haben, ungestraft davongekommen sind. Juristisch betrachtet, sind die Taten ja schon längst verjährt. Auch der Pfarrer aus Burträsk muss keine strafrechtlichen Konsequenzen fürchten, habe ich gelesen. Und die Säpo hat kein Interesse, ihre Informationen publik zu machen. Ich denke, in Deutschland gibt es einen ganz anderen Umgang mit den Stasi-Archiven. Die sind doch offen, oder?«
»Ja, schon.«
Dass auch Schweden eine Stasi-Geschichte hatte, die noch dazu in geheimen Archiven versteckt lag, war für Forss ganz neu.
Nyström knetete die Haut unter ihrem Kinn.
»Ich weiß nicht so recht. Warum sind die drei nach dem Zusammenbruch der DDR denn dann nicht nach Hause zurückgekehrt?«, fragte Nyström. Sie schien sich innerlich zu winden, zu sträuben, fand Forss. So als schiene ihr die Vorstellung zu abstrus, zu abenteuerlich zu sein. »Oder wenigstens Herr Hans und Frau Gretel, wie du sie
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