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Rotzig & Rotzig

Rotzig & Rotzig

Titel: Rotzig & Rotzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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erwartete, dass sich ihre runden Augen nun mit Tränen füllten, doch sie blieben trocken. „Und die Polizei weiß das“, flüsterte sie heiser, ungläubig.
    „Ja, ein Untersuchungsrichter namens Peelaert hält Doktor Niemann-Juras Untersuchungsbericht unter Verschluss. Wie es aussieht, gibt er einem anderen Gutachten den Vorzug. Was da drinsteht, weiß ich nicht.“ Leyla schüttelte den Kopf. „Wer, Kristof? Wer hat meinem kleinen Bruder so was angetan?“
    „Wir werden es herausbekommen, Leyla.“
    „Was willst du jetzt machen?“
    „Die Jungs finden. Und dann weitersehen. Doch erst warte ich noch Heckenpennes' Mail ab.“ Der Trucker trat an die Kasse, zahlte und ging. Kaum war er aus der Tür, winkte Leyla mich hinter die Theke, an ihren PC. Die Mail ging ein. Leyla öffnete den Fotoanhang. Es waren Yves und Sean, kein Zweifel. Yves und Sean, auf allen Vieren, mit ihren einladend vorgestreckten strammen Hinterbacken und dazwischen, penibel ausgeleuchtet, ihre runzeligen kleinen Arschlöcher.
    „Kannst du einen Ausschnitt vergrößern?“, fragte ich. Sie sah mich scharf an. „Welchen hättest du denn gerne?“
    „Die Gesichter.“
    Sie schloss das Foto, verschob es irgendwo anders hin, öffnete es erneut, legte einen Rahmen um die beiden Köpfe, drückte eine Taste, und Yves' und Seans Grinsen füllte den Bildschirm.
    Ich verstand augenblicklich, warum Heckenpennes mich darauf hingewiesen hatte. Leyla auch. „Die sind total auf Droge, die beiden“, stellte sie fest. „Irgendwas mit viel Ephedrin drin. Es macht einen warm, regelrecht heiß, und ehe man sich's versieht, ist man selig und entspannt und ungefähr so schwer zu verführen wie eine rollige Katze. Bei mir zumindest wirkt es so“, fügte sie trocken hinzu. Und wenn man Detektiv Kryszinski zu den Jungs vorgelassen hätte, wären die beiden bestimmt auf die leckeren Pillen zu sprechen gekommen, und auf die lustige Fotosession auch.
    Aber all das ließ sich ja nicht für immer geheim halten. Strenggenommen noch nicht mal für kurze Zeit. Deshalb also die Mär von der nächtlichen Flucht. Doch - was dann?
    Ich ging im Geiste noch mal alles durch, was ich mit Reiff gesprochen hatte. Plötzlich hieb ich mir vor die Stirn.
    Leyla zog fragend die Brauen hoch. „Weißt du, was Reiff mir ganz nebenbei erzählt hat, während ich das Haus abgesucht habe? Dass Kinder aus seiner Obhut verschwinden. Für immer.“
    „Wie, für immer?“
    „Er hat es so dargestellt, als ob Ausreißer schon mal unter die Räder kommen, in der bösen Welt da draußen.“
    „Das kann natürlich vorkommen“, meinte Leyla nachdenklich. „Aber warum erzählt er dir das?“
    „Damit ich mich nicht wundere, sollten die Zwillinge ebenfalls nie mehr auftauchen.“
    Sobald die Dunkelheit hereinbrach, machte ich mich mitsamt Hund auf den Weg. Wir schlugen uns buchstäblich in die Büsche, umrundeten das Grundstück der Reiffs in dem größtmöglichen Radius, ohne es komplett aus den Augen zu verlieren. Was nicht allzu schwer war, da oben auf dem eiförmigen Felsen das rote Luftverkehrs-Warnlicht einem aus allen Richtungen den Weg wies.
    Es wurde eine sternenklare, bitterkalte Nacht. Struppi machte die Kälte nichts, nur wenn wir querfeldein marschierten, verkühlte ihm der Schnee empfindliche Teile, und er fiepte ein bisschen vor sich hin, bis ich ihn hochnahm und zum nächsten Weg trug. Ein schief hängender Viertelmond sorgte für ausreichende Beleuchtung, kein Windhauch regte sie, was eine in den Ohren klingelnde Stille über die Landschaft legte.
    Es hätte richtig schön sein können, fast schon romantisch, wenn nur nicht eine Mischung Sorge und Ratlosigkeit meine Laune verdüstert hätte.
    Ein Jet fauchte über unsere Köpfe hinweg, setzte zur Landung an. Fast im selben Moment schnarrte auf dem Reiffschen Grundstück ein Motor auf, wurden Scheinwerfer angeknipst. Der feiste Audi passierte das Tor, beschleunigte dem Flugzeug hinterher. Wir befanden uns auf einem Waldweg, der quer zu dem des Q7 verlief. Ich hastete durch die Nacht, bis ich die Stelle fand, an der sich die beiden Wege kreuzten, und drückte mich mitsamt Hund in eine ausgesprochen kratzige Tannenschonung, wartete auf die Rückkehr des Audis.
    Es dauerte nicht allzu lange.
    Nur etwa zehn Minuten später kam er mit hoher Drehzahl den Hang hinunter, und ich hörte seine Bremsen auf quietschen, weil genau an dieser Kreuzung der Weg um eine Biegung führte.
    Angestrengt linste ich durch die Nadeln, hielt dabei

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