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Rotzig & Rotzig

Rotzig & Rotzig

Titel: Rotzig & Rotzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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seine eigene Schwester zu erschießen, dahinter der Patriarch persönlich und neben sich und am Steuer zwei seiner anzugtragenden Schwieger- oder sonstigen Söhne. Ich erkannte sie, sie erkannten mich, und ich durchlebte einen Augenblick vollkommener Verblüffung. Wo kamen die denn her? Es war klar, dass dies kein Zufall sein konnte, dass sie nach mir gesucht hatten, hier in Echternach. Zu welchen Zweck stand außer Frage. Wir machen dich tot, Krisinski.
    Mein Gaspedal fand wie von allein den Weg ans Bodenblech. Zum Glück ging's bergab, hinunter zur Süre. Der BMW wendete mit rauchenden Reifen in meinen Spiegeln und hob die Nase. Mit gestrecktem rechten Bein, das Pedal platt unter meiner Sohle, schoss ich auf die T-förmige Abzweigung am unteren Ende zu. Mein einziger Gedanke war der, mich in die Stadt zu flüchten, in die nächste Polizeiwache, hinter den Rücken des erstbesten Bewaffneten. Doch als ich am Abzweig ankam, war ausgerechnet in dieser Richtung ein Wohnmobil dabei, in der üblichen nervtötend behäbigen Manier eine Kehrmaschine zu umschiffen, so dass mir nichts anderes blieb, als nach links abzubiegen, auf die schmale Landstraße, die sich am Fluss entlangschlängelt. Beinahe sofort saß mir der BMW dicht im Genick. Leitplanken begrenzten die Straße auf beiden Seiten, machten ein Ausweichen oder Hakenschlagen unmöglich. Also Gas geben und hoffen. Ich schaltete in den Vierten, geriet mit dem rechten Hinterrad auf eine eisige Stelle, das Rad drehte durch, und der BMW zog mühelos neben mich, alle Fenster heruntergekurbelt. Der Knabe auf dem Beifahrersitz betrachtete mich mit leuchtenden Augen, voller Vorfreude darauf, gleich mein Blut zu sehen, während der Patriarch sich zurücklehnte, damit der Kerl neben ihm, der schwammige, wie allein mit Marshmallows großgezogene Sack, der mir schon bei unserem ersten Gespräch aufgefallen war, den Arm aus dem Fenster strecken konnte. Den Arm mit der nickelglänzenden Pistole.
    Ich schäumte. Vor Angst genauso wie vor Wut. Was hatte ich diesen Idioten getan? Ich hatte sie nur davon abgehalten, ihre eigene Schwester,Tochter, Cousine umzubringen, und - wie wurde es mir gedankt? Der Verdacht beschlich mich, dass der schwammige Sack der abgewiesene Bräutigam der kleinen Nazdar war und nun seine geknickte Männlichkeit irgendwie wieder aufrichten musste. Einfache Leute, mit starken Traditionen.
    Die Geschwindigkeit war auf nahezu achtzig gefallen, da griff mein durchdrehendes Hinterrad wieder, der Toyota machte einen Satz nach vorn, es knallte scharf, und der erste Schuss ging schon mal daneben. Unter normalen Umständen hätte ich jetzt, mit einer halben Wagenlänge Vorsprung, versucht, sie gegen einen Baum, einen Brückenpfeiler oder in den Graben zu drängen, doch die Leitplanken auf beiden Seiten waren ohne Lücke, und das ganze Manöver hätte nur Zeit gekostet. Also setzte ich all mein Vertrauen in den Gasdurchsatz meiner vier Weber-Vergaser. Die Haube des BMW neben mir nickte, als die Automatik runterschaltete, und die schwere Limousine zog all meinen Bemühungen zum Trotz wieder mit mir gleichauf. Es ging nun eine Steigung hoch, und oben, über der Kuppe, sah ich zwei Säulen schwarzen Qualms in die Luft steigen.
    Das vernickelte Rohr zielte erneut auf meine Schläfe, ich tippte kurz die Bremse an, und auch der zweite Schuss ging in die Landschaft. Der BMW-Fahrer verzögerte ebenfalls, und ich stand sofort wieder auf dem Gas, drehte den Vierten aus und klopfte den Fünften rein.
    Unter den beiden Dieselqualmsäulen wurde die Front eines großen Lkw sichtbar. Ein Sattelschlepper, der Auflieger ein hochgetürmtes Gewirr dicker Baumstämme.
    Mit dem harschen Fauchen seines Sechszylinders glich der BMW meinen kleinen Vorsprung aus. Der Junge rief dem Fahrer etwas zu, der erst jetzt den bergab auf ihn zu beschleunigenden Lkw bemerkte. Er trat den Kick-down, der BMW ging kurz in die Knie, und der Motor heulte auf. Sie wollten mich überholen und dann wahrscheinlich zum Halten zwingen, doch ab etwa fünftausend Touren fangen die Weber erst so richtig an, Luft und Sprit zu saugen, so dass ich zumindest soweit mithalten konnte, ihnen das Einscheren vor mir unmöglich zu machen. Und für drei Autos nebeneinander war einfach kein Platz zwischen den Planken. Mit dröhnendem Horn und greller Lichthupe kam der Sattelschlepper unaufhaltsam näher. Der BMW-Fahrer hatte ein Einsehen, brach seinen Überholversuch ab und trat vehement die Bremse. Genau wie ich.
    Wir sahen uns

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