Roulette der Liebe
Reno nach einer Pause. »Da, schau mal.«
Ein langer Baumstamm ragte aus einem der Löcher heraus. Die Seiten des Stamms wiesen Vertiefungen auf, die als Fußlöcher dienten. Der Schacht verlief nicht ganz gerade und fiel so steil in die Tiefe ab, daß ohne die Leiter kein Durchkommen möglich gewesen wäre.
»Manchmal haben sie auch die Äste am Stamm gelassen, statt Ausbuchtungen hineinzuschneiden«, sagte Reno. »Auf jeden Fall funktionieren diese Leitern.«
Das Holz fühlte sich rauh und kühl unter Eves Hand an, bis auf die Stellen, wo die Einschnitte waren. So viele Füße hatten diese Kerben benutzt, daß sie glatt wie Seide geworden waren.
»Halt die Laterne«, sagte Reno.
Eve nahm das Licht und beobachtete mit angehaltenem Atem, wie Reno die Hühnerleiter ausprobierte. Bald konnte sie nur noch seine breiten Schultern und den Hut sehen.
»Stabil«, rief er und blickte in das goldene Licht auf. »Wenn Holz nicht mit Wasser in Berührung kommt, hält es sehr lange in diesen Höhlen.«
Die primitive Leiter führte zu einer anderen Ebene der alten Mine, wo noch mehr Kojotenlöcher in alle Richtungen abzweigten. Viele von ihnen waren zu eng, als daß Renos Schultern in die Öffnung hineingepaßt hätten. Ein paar waren sogar so schmal, daß Eve kaum Platz fand, um mit der Laterne hineinzuleuchten.
»Irgendwas zu sehen?« wollte Reno wissen.
Er hatte nicht gewollt, daß Eve jedes einzelne Kojotenloch erforschte, aber die Logik war unbestreitbar. Eve konnte tiefer in die Schächte hinein als er. Sie bewegte sich auch schneller.
»Der Tunnel geht weiter«, sagte sie, während sie sich mühsam aus dem Eingang herauswand. »Wenn man um die Biegung herum ist, zweigt noch ein Gang ab. Er ist doppelt so groß wie dieser hier.«
Sie klopfte sich den Staub ab. »Der größere Gang hat irgendwas Seltsames an sich. Die Pfeile zeigen in die andere Richtung. Zumindest haben sie es früher getan. Irgend jemand hat die Spitze der alten Pfeile ausgekratzt und eine neue Spitze an das Schwanzende gemalt.«
Reno runzelte die Stirn, zog seinen Kompaß heraus und starrte nachdenklich darauf.
»In welche Richtung krümmt sich der Tunnel?«
Eve zeigte es ihm. »Der andere Gang kommt auch aus dieser Richtung.«
Reno wandte sich um, um sich an dem verborgenen Tunnel und seinen zweimal gezeichneten Pfeilen zu orientieren.
»Der gleiche Winkel, oder ändert der sich auch?« wollte er wissen.
»Er verläuft ungefähr so«, sagte Eve und deutete mit der Hand eine Neigung an.
»Machen dir diese engen Gänge angst?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Bist du sicher?« drängte Reno.
»Ganz sicher. Ich krieche sogar durch Tunnel über Felsvorsprüngen, die sich wie Gottes Augenbrauen über Tausenden von Metern vorwölben«, erwiderte sie trocken.
Renos Lächeln blitzte im matten Schein der Laterne. »Ich bin genau das Gegenteil. Ich würde jederzeit lieber auf Gottes Augenbrauen über einem steilen Abgrund wandeln, als irgendwo tief in einem Kojotenloch zu stecken.«
Sie lachte. »Soll ich nachschauen, wo dieser Tunnel mit den Doppelpfeilen hinführt?«
Reno zögerte, dann gab er widerstrebend nach. »Aber nur, wenn die Wände aus massivem Fels bestehen. Ich will nicht, daß du durch so ein bröckeliges Zeug kriechst, das wir vorhin gesehen haben. Verstanden?«
Eve verstand sogar sehr gut. Kojotenlöcher ängstigten sie zwar nicht so, wie es große Höhen taten, sie verspürte jedoch kein Bedürfnis, wie das Sklavenkind zu enden - lebendig begraben.
»Na gut, dann geh«, sagte Reno widerwillig.
Bevor Eve sich abwandte, zog er sie in seine Arme und küßte sie stürmisch.
»Sei vorsichtig, Süße«, sagte er heiser. »Mir gefällt das ganz und gar nicht.«
Reno wurde noch viel unbehaglicher zumute, als das Knirschen von Eves Schritten sich in der Stille verloren hatte und die Minuten immer schleppender dahinkrochen. Als Reno zum dritten Mal seine Uhr hervorzog und feststellte, daß kaum dreißig Sekunden vergangen waren, fluchte er und begann langsam zu zählen.
Schließlich hörte er, wie Eve wieder durch das Kojotenloch zurückkroch. Sobald ihr Kopf und ihre Schultern sichtbar wurden, zog er sie heraus und drückte sie so fest an sich, daß sie kaum noch Luft bekam.
»Das war das letzte Mal, daß du allein in diesem verdammten Loch verschwunden bist«, sagte er rauh. »Ich bin mindestens um zehn Jahre gealtert, während ich auf dich gewartet habe.«
»Es hat die Warterei gelohnt, Liebster«, sagte Eve atemlos und
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