Roulette des Herzens
er hat noch immer Schmerzen in der Brust. Mit seinem Husten ist es seit der vergangenen Woche nicht besser geworden. Ich befürchte, am nächsten Sonntag werden wir wieder einmal nur die Hälfte seiner Predigt verstehen.«
Sara lächelte matt und entsann sich, wie rau die Stimme des Geistlichen am. vergangenen Sonntag geklungen hatte.
Dem größten Teil der Gemeinde war es unmöglich gewesen, etwas zu verstehen. Sara wollte sich erheben, doch der Vater ließ einen Brief in ihren Schoß fallen. Das Schreiben war an sie adressiert. »Es kam gestern im Dorf an«, erklärte er. »Gutes Papier. Ein rotes Wachssiegel. Der Brief muss von einer sehr wichtigen Person sein.«
Bedächtig drehte Sara ihn hin und her, schaute auf die zierliche Handschrift und das verzierte, auf der Rückseite angebrachte Wappen. Sich der neugierigen Blicke der Eltern bewusst, brach sie das Siegel, zog das Blatt aus dem Umschlag und entfaltete es. Schweigend las sie:
Meine liebe Miss Fielding,
seit der entzückenden Gelegenheit, bei der wir uns getroffen haben, dachte ich sehr oft an Sie, und ich muss gestehen, dass ich das voller Neugier getan habe. Ich würde mich über Ihren den Ball betreffenden Bericht sehr freuen, und vielleicht finden wir die Zeit, um an einem der kommenden Wochenenden unsere Bekanntschaft zu vertiefen…
Sara las weiter und sah dann die sie fragend anschauenden Eltern an. »Der Brief ist von der Countess of Wolverton«, sagte sie verblüfft. »Ich hatte Gelegenheit, sie kennenzulernen, als ich in London war.«
»Was schreibt sie?« wollte Katie wissen.
Sara blickte wieder auf den Brief. »Sie … sie hat mich eingeladen, an einem Wochenende zu ihr nach Herefordshire zu kommen. In Raiford Park finden ein Ball, große Diners und Feuerwerke statt. Mehr als zweihundert Gäste sind eingeladen. Sie schreibt, man brauche, um die Konversation zu beleben, jemanden wie mich, der lebhaft und aufgeweckt ist.« Ungläubig lachte sie auf. »Sie kann es nicht ernst gemeint haben, jemanden wie mich zu Festlichkeiten des ton zu bitten.«
Katie griff nach dem Brief, hielt ihn auf Armeslänge von sich ab und blinzelte, um ihn lesen zu können. »Wie ungewöhnlich!«
»Ich kann die Einladung unmöglich annehmen«, meinte Sara. »Ich habe nicht die richtige Garderobe, keine Kutsche, und kenne dort niemanden.«
»Mr. Kingswood würde es sicher nicht billigen, wenn du fährst«, sagte der Vater.
Verwirrt schüttelte sie den Kopf. »Warum möchte die Countess, dass ich bei solchen Anlässen zugegen bin?« Sie hielt den Atem an, weil ihr ein schrecklicher Gedanke gekommen war. Vielleicht hatte Lady Wolverton gedacht, dass ihre weltgewandten Gäste sich amüsieren würden, wenn eine Landpomeranze eingeladen war. Bestimmt würden sie sich endlos darüber lustig machen, eine scheue, schlichtgekleidete Schriftstellerin in ihrer Mitte zu wissen. Sie erinnerte sich jedoch an Lady Wolvertons strahlendes Lächeln und schämte sich ihres Argwohns. Sie würde in der Einladung die freundliche Geste sehen, als die diese gedacht war.
»Stell dir die vornehmen Leute vor, die dort sein werden«, sagte Katie und sah den Brief an. »Ich muss ihn den Hodges zeigen. Sie werden ihren Ohren nicht trauen, wenn ich ihnen erzähle, dass meine Tochter mit einer Countess befreundet ist.«
»In Gottes Augen besteht kein Unterschied zwischen einer Countess und einem Milchmädchen«, warf Isaac ein und bückte sich, um das Feuer zu schüren.
»Lady Wolverton ist eine einzigartige Person«, sagte Sara. »Sie ist sehr lebhaft, freundlich und großzügig.«
»Eine Frau mit ihren Möglichkeiten kann es sich leisten, großzügig zu sein«, meinte der Vater und zwinkerte die Töchter an.
»Ich stelle mir vor, dass sich in ihrem Haus eine buntgemischte Gesellschaft einfinden wird«, murmelte Sara.
»Vielleicht kommt sogar…« Sie biss sich auf die Unterlippe und bemühte sich, den jähen Gefühlsaufruhr zu dämpfen. Es war möglich, dass Mr. Craven bei der Countess sein würde. Er war ein enger Freund der, Familie. Ein Grund mehr, nicht zu Lady Wolverton zu reisen. Saras Herz riet ihr jedoch das Gegenteil.
Stunden später, als die Eltern die Füße vor dem Feuer ausgestreckt hatten und sich Bibelstellen vorlasen, holte Sara sich das tragbare Schreibpult und setzte sich mit einem Blatt Papier hin. Bedächtig tauchte sie die Feder in das Tintenfässchen und begann zu schreiben. Die Hand zitterte ihr ein wenig, doch irgendwie gelang es ihr, die Zeilen säuberlich
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