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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Unterhalt zu sorgen und mir eine passende Stellung zu verschaffen. Meinetwegen brauchte ich mir keine Sorge zu machen; diese hatten andere übernommen. So schritt ich leichten Muthes, frei von dieser Last, dahin; jugendliche Wünsche, zauberische Hoffnungen, glänzende Pläne erfüllten meine Seele. Alles, was ich sah, schien mir Bürge meines nahen Glückes zu sein. In den Häusern glaubte ich ländliche Feste zu sehen; auf den Wiesen muntere Spiele; die Flüsse entlang Bäder, Spazierwege und Fischzüge; aus den Bäumen köstliche Früchte; unter ihrem Schatten zärtliche Zusammenkünfte; auf den Bergen Fässer voll Milch und Sahne; reizenden Müßiggang, Frieden, Einfachheit und Lust zu gehen, ohne zu wissen wohin. Kurz, nichts begegnete meinen Blicken, ohne mein Herz mit einem Wonnegefühl zu erfüllen. Bei der Großartigkeit, Mannigfaltigkeit und wirklichen Schönheit des sich mir darbietenden Schauspiels fand dieses Wonnegefühl die Anerkennung der Vernunft; sogar die Eitelkeit fügte eine neue Würze hinzu. So jung nach Italien zu gehen, schon so viele Länder gesehen zu haben, Hannibal über das Gebirge zu folgen, das schien mir ein Ruhm, der über mein Alter hinausging. Dazu darf nicht außer Acht bleiben unsere häufige Einkehr in guten Gasthöfen, mein vortrefflicher Appetit und die Mittel zu seiner Befriedigung, denn es hätte sich in der That nicht verlohnt, mir etwas zu entziehen, da das, was ich verzehrte, im Vergleich zu den Anforderungen, die Herr Sabran für seine Tafel machte, nicht der Rede werth war.
    In keiner Zeit meines Lebens bin ich, so viel ich mich erinnern kann, so vollkommen frei von Sorgen und Mühen gewesen, wie in den sieben oder acht Tagen, welche diese Reise in Anspruch nahm, denn Frau Sabrans Schritt, nach dem wir den unsrigen richten mußten, machte nur einen weiten Spaziergang daraus. Diese Erinnerung hat in mir die lebhafteste Vorliebe für alles, was damit in Verbindung steht, besonders für Gebirge und Fußreisen zurückgelassen. Nur in meinen jungen Jahren bin ich zu Fuß gereist und jedesmal mit Vergnügen. Bald aber haben mich Pflichten, Geschäfte, die Mitnahme von Gepäck, gezwungen, den Herrn zu spielen und Wagen zu nehmen; nagende Sorgen, Verlegenheiten, Unbehaglichkeit sind dann mit mir eingestiegen, und während ich sonst auf meinen Reisen nur die Wanderlust empfand, habe ich seitdem nur das Bedürfnis anzukommen empfunden. Lange habe ich in Paris nach zwei Gefährten von gleichem Geschmacke gesucht, die Lust hätten jeder fünfzig Goldstücke von ihrem Eigenthum und ein Jahr von ihrer Zeit dazu herzugeben, mit mir zusammen Italien zu durchwandern, nur von einem Diener begleitet, der uns helfen sollte einen Nachtsack zu tragen. Viele Leute thaten, als wären sie über diesen Plan entzückt, während sie ihn im Grunde sämmtlich für ein Luftschloß hielten, worüber sich plaudern läßt, ohne daß man wirklich die Absicht hegt, ihn auszuführen. Ich erinnere mich, daß ich Diderot und Grimm, denen ich diesen Plan oft mit Leidenschaft auseinandersetzte, endlich Lust dazu einflößte. Einmal hielt ich die Sache schon für abgemacht; das Ganze kam jedoch darauf hinaus, daß sie nur die Absicht hatten, schriftlich eine Reise zu machen, bei der Grimm nichts so drollig fand, als Diderot eine Menge Ruchlosigkeiten begehen zu lassen, und mich an seiner Stelle der Inquisition zu überantworten.
    Mein Bedauern, so schnell in Turin anzulangen, wurde durch das Vergnügen, eine große Stadt zu sehen, und durch die Hoffnung vermindert, dort bald eine meiner würdige Rolle zu spielen, denn schon stiegen mir die Dünste des Ehrgeizes zu Kopfe, schon sah ich mich unendlich erhaben über meinen alten Stand als Lehrling: ich war gar weit davon entfernt vorherzusehen, daß ich binnen Kurzem unendlich tief unter demselben stehen würde.
    Ehe ich jedoch fortfahre, ist es meine Schuldigkeit, mich bei dem Leser sowohl wegen der unbedeutenden Einzelheiten, die ich erzählt, als auch wegen derjenigen zu entschuldigen oder zu rechtfertigen, die ich noch späterhin erzählen werde, und die in seinen Augen nichts Interessantes haben. Da ich es aber einmal unternommen, mich dem Publikum ganz wie ich bin zu zeigen, so darf ihm von mir nichts dunkel oder verborgen bleiben; ich muß mich ihm fortwährend vor Augen stellen, es muß mir auf alle Irrwege meines Herzens, in alle Winkel meines Lebens folgen, es darf mich nicht einen Augenblick aus dem Gesichte verlieren, damit es nicht, wenn es auch nur

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