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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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fürwahr für jemanden, der bei kaltem Blute ist, keinen entsetzlicheren Anblick denken, als dieses unzüchtige und unfläthige Gebaren und dieses scheußliche, von der viehischsten Begierde entflammte Gesicht. Ich habe nie einen andern Menschen in einem ähnlichen Zustande gesehen; aber wenn wir so den Frauen gegenüber sind, müssen ihre Augen völlig geblendet sein, damit sie sich vor uns nicht entsetzen.
    Ich hatte nichts Eiligeres zu thun, als aller Welt zu erzählen, was mir widerfahren war. Unsere alte Hausverwalterin gebot mir Schweigen; aber ich sah, daß diese Geschichte sie stark angegriffen hatte, und hörte sie zwischen den Zähnen murmeln: lan maledet! brutta bestia! Da ich nicht begriff, weshalb ich schweigen sollte, ließ ich die Sache trotz des Verbotes ruhig ihren Gang weiter gehen, und plauderte so viel, daß am nächsten Tage schon in aller Frühe einer der Verwalter erschien und mir einen sehr strengen Verweis ertheilte, indem er mich beschuldigte, die Ehre eines heiligen Hauses bloßstellen und um einer geringen Verschuldung willen viel Lärm zu machen.
    Er dehnte seine Strafrede noch weiter aus, indem er mit mir vielerlei, was ich nicht wußte, besprach, obgleich er nicht glaubte, es mich erst lehren zu brauchen, überzeugt, daß ich mich nur so stellte, als wüßte ich nicht, was man von mir wollte, und nur nicht darauf einzugehen wünschte. Er sagte mir mit großem Ernst, es wäre dieses Werk gerade wie die Unzucht ein verbotenes, dessen Versuch indessen für die Person, gegen welche es beabsichtigt, nicht beleidigender wäre, und daß man sich nicht so sehr darüber zu erzürnen brauchte, liebenswürdig gefunden zu sein. Er erzählte mir ohne Umschweife, daß er selbst in seiner Jugend die gleiche Ehre genossen hätte, und daß er, da man ihn überrascht hätte, außer Stande gewesen wäre, Widerstand zu leisten, und in der Sache selbst nichts so Entsetzliches gefunden hätte. Er trieb die Schamlosigkeit so weit, daß er sich dabei der geeigneten Kraftworte bediente, und in dem Wahne, daß die Ursache meines Widerstandes nur die Furcht vor dem Schmerze wäre, gab er mir die Versicherung, daß diese Furcht grundlos wäre, und daß man sich deshalb nicht zu beunruhigen brauchte.
    Ich hörte diesen schändlichen Buben mit um so größerem Erstaunen an, als er nicht für sich selbst sprach; er schien mich blos zu meinem eigenen Besten unterrichten zu wollen. Seine Auseinandersetzung schien ihm so einfach zu sein, daß er nicht einmal eine geheime Unterredung gesucht; wir hatten als Dritten noch einen Geistlichen bei uns, der über diesen Vorfall eben so wenig erschrocken war wie jener. Dieser Anschein von Natürlichkeit machte einen solchen Eindruck auf mich, daß ich zu glauben begann, dergleichen wäre eine in der Welt übliche Sitte, in die ich nur früher keine Gelegenheit gehabt hatte eingeweiht zu werden. Dies bewirkte, daß ich ihn ohne Zorn, wenn auch nicht ohne Ekel anhörte. Das Bild dessen, was mir widerfahren, und vor allem dessen, was ich gesehen hatte, haftete so fest in meinem Gedächtnisse, daß mir, wenn ich daran dachte, noch immer übel ward. Ohne daß ich mehr davon verstand, dehnte sich mein Abscheu vor der That auf ihren Vertheidiger aus, und ich konnte mich nicht so weit bezähmen, daß er nicht die üble Wirkung seines Unterrichts bemerkt hätte. Er warf mir einen wenig freundlichen Blick zu, und seitdem ließ er nichts unversucht, um mir den Aufenthalt im Hospiz unangenehm zu machen. Es gelang ihm dies so gut, daß ich, da ich nur einen einzigen Weg es zu verlassen kannte, mich in eben so hohem Grade beeilte ihn einzuschlagen, wie ich mich bis dahin bemüht hatte, von ihm fern zu bleiben.
    Dieses Abenteuer schützte mich in Zukunft vor den Unternehmungen ähnlicher Liebesritter, und der Anblick von Leuten, die in dem Rufe standen, zu ihnen zu gehören, erinnerte mich an das Aussehen und Gebaren meines entsetzlichen Mauren und erfüllte mich stets mit einem solchen Grauen, daß ich es kaum zu verhehlen vermochte. Die Frauen gewannen dagegen bei diesem Vergleiche viel in meinen Augen. Mir schien es, als ob ich ihnen zur Genugtuung für die Beleidigungen meines Geschlechtes die Zärtlichkeit meiner Gefühle und die Huldigung meiner Person schuldig wäre, und die häßlichste Metze wurde durch die Erinnerung an diesen falschen Afrikaner in meinen Augen ein Gegenstand der Anbetung.
    Was nun meinen fälschlichen Afrikaner anlangt, so weiß ich nicht, was man ihm über sein

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