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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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seligen Ruhe, die selbst hinsichtlich des Genusses unendlich schöner war, als jene glühenden Fieberschauer, die ich bis dahin an ihrer Seite empfunden hatte. Da sie allzu wohl wußte, daß sich mein Herz nicht geändert hatte, war sie für die Mühe dankbar, die ich mir zu meiner Selbstüberwindung gegeben hatte; sie schätzte mich desto höher, und ich bemerkte mit Freuden, daß ihre Freundschaft für mich nicht erloschen war. Sie theilte mir Saint-Lamberts nahe bevorstehende Rückkehr mit, der, wenn auch von seinem Anfalle ziemlich wieder hergestellt, doch nicht mehr im Stande war, die Beschwerden des Krieges auszuhalten und den Abschied nahm, um fortan ruhig in ihrer Nähe zu leben. Wir entwarfen den bezaubernden Plan eines innigen freundschaftlichen Umgangs unter uns dreien, und wir konnten der Ausführung dieses Vorhabens Dauer versprechen, da alle Gesinnungen, welche fühlende und ehrliche Herzen verbinden können, die Grundlage dazu bildeten, und wir in uns dreien hinreichende Talente und Kenntnisse vereinigten, um uns selbst zu genügen und keiner fremden Beihilfe zu bedürfen. Ach, als ich mich der Hoffnung auf ein so süßes Leben überließ, dachte ich nicht an das, welches meiner schon wartete.
    Wir sprachen darauf von meiner gegenwärtigen Stellung Frau von Epinay gegenüber. Ich zeigte ihr Diderots Brief nebst meiner Erwiderung. Ich setzte ihr alles, was in Beziehung hierauf vorgefallen war, ausführlich auseinander und sagte ihr, daß ich entschlossen wäre, die Eremitage zu verlassen. Sie widersetzte sich dem lebhaft und noch dazu mit Gründen, gegen die mein Herz widerstandslos war. Sie bezeugte mir, wie sehr sie gewünscht hätte, daß ich die Genfer Reise mitgemacht, daß sie voraussähe, daß man nicht ermangeln würde, ihr meine Weigerung zur Last zu legen, was Diderots Brief wirklich anzudeuten schien. Da sie indessen meine Gründe eben so gut wie ich selbst kannte, suchte sie nicht bestimmend auf mich einzuwirken, beschwor mich aber um jeden Preis alles Aufsehen zu vermeiden und meine Weigerung auf leidlich scheinbare Gründe zurückzuführen, um jeden ungerechten Verdacht, der sie treffen könnte, fern zu halten. Ich sagte ihr, daß sie keine leichte Aufgabe von mir verlangte, daß ich aber, entschlossen, mein Unrecht selbst auf Kosten meines Rufes zu sühnen, soweit es meine Ehre irgend zuließe, für die Fleckenlosigkeit des ihrigen stets zuerst eintreten würde. Man wird bald erkennen, ob ich dieses Versprechen zu erfüllen gewußt habe. Statt daß meine unglückselige Leidenschaft etwas von ihrer Stärke verloren gehabt hätte, liebte ich, ich kann es beschwören, meine Sophie nie so lebhaft, nie so zärtlich wie an jenem Tage. So groß war aber der Eindruck, den Saint-Lamberts Brief, das Gefühl der Pflicht und der Abscheu vor der Treulosigkeit auf mich ausübten, daß mich während dieses ganzen Zusammenseins meine Sinne an ihrer Seite vollkommen in Ruhe ließen und ich mich nicht einmal versucht fühlte, ihr die Hand zu küssen. Bei meinem Aufbruche küßte sie mich in Gegenwart ihrer Leute. Dieser Kuß, so verschieden von denen, die ich ihr mitunter im Walde geraubt hatte, war mir Bürge dafür, daß ich die Herrschaft über mich selbst wiedergewonnen hatte. Wäre meinem Herzen Zeit gegönnt gewesen, sich im Stillen zu sammeln, so bin ich fast sicher, daß ich nicht drei Monate zu meiner völligen Genesung bedurft hätte.
    Hier endet mein persönliches Verhältnis zu Frau von Houdetot, ein Verhältnis, über dessen Charakter sich ein jeder je nach der Natur seines eigenen Herzens hat ein Urtheil bilden können, bei dem aber die Leidenschaft, die mir diese liebenswürdige Frau einflößte, vielleicht die heftigste Leidenschaft, die je ein Mann empfunden hat, der Tugend und uns um der seltenen und schmerzlichen Opfer willen, die wir beide der Pflicht, der Ehre, der Liebe und der Freundschaft brachten, zur Ehre gereichen wird. Wir hatten uns gegenseitig in unsern Augen zu sehr erhoben, um uns leicht erniedrigen zu können. Man müßte jeglicher Achtung unwerth sein, um sich entschließen zu können, eine so werthvolle zu verlieren, und selbst die Stärke der Gefühle, die uns hätte strafbar machen können, verhinderte uns gerade, es zu werden.
    Auf diese Weise nahm ich nach einer so langen Freundschaft für die eine dieser beiden Frauen und nach einer so leidenschaftlichen Liebe für die andere von ihnen an einem und demselben Tage getrennt Abschied, von der einen, um sie im Leben nie

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