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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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machte, blieben mir von all meinen Freundschaftsverhältnissen nur zwei Männer, die sich meine ganze Achtung bewahrt hatten, und denen mein Herz sein Vertrauen schenken konnte: Duclos, den ich seit meinem einsamen Leben auf der Eremitage aus dem Gesicht verloren hatte, und Saint-Lambert. Mein Unrecht gegen letzteren glaubte ich nur dadurch vollkommen wieder gut machen zu können, daß ich ihm mein Herz rückhaltlos ausschüttete, und ich beschloß ihm ein offenes Bekenntnis abzulegen, so weit es seine Geliebte nicht bloßstellte. Ich zweifle nicht, daß dieser Schritt noch immer ein Fallstrick meiner Leidenschaft war, um wieder eine Annäherung an sie herbeizuführen; aber so viel ist gewiß, daß ich mich rückhaltlos in die Arme ihres Geliebten geworfen, daß ich mich völlig unter seine Leitung gestellt und die Offenheit so weit getrieben haben würde, wie sie nur gehen konnte. Ich war bereit, einen zweiten Brief an ihn zu schreiben, auf welchen ich, wie ich überzeugt war, Antwort erhalten hätte, als ich den traurigen Grund seines Schweigens auf den ersten vernahm. Er hatte die Anstrengungen dieses Feldzuges nicht bis zu Ende aushalten können. Frau von Epinay benachrichtigte mich, daß er einen Anfall von Lähmung gehabt hätte, und Frau von Houdetot, die in ihrem Kummer endlich selbst krank wurde und außer Stande war, augenblicklich an mich zu schreiben, theilte mir zwei oder drei Tage später von Paris aus, wo sie sich damals aufhielt, mit, daß er sich nach Aachen bringen ließe, um dort Bäder zu nehmen. Ich will nicht behaupten, daß mich diese traurige Nachricht eben so wie sie betrübte, allein ich zweifle, ob das Herzeleid, mit dem sie mich erfüllte, weniger schmerzlich war als ihre Trauer und ihre Thränen. Der Kummer, ihn in diesem Zustande zu wissen, noch durch die Furcht erhöht, daß die Unruhe dazu beigetragen haben könnte, ihn in denselben zu versetzen, rührte mich mehr als alles, was mir bisher widerfahren war, und ich fühlte schmerzlich, daß es mir in meiner Selbstachtung an der Kraft gebrach, die ich nöthig hatte, um so viel Herzeleid zu ertragen. Zum Glück ließ mich dieser edelmüthige Freund nicht lange in dieser Niedergeschlagenheit; trotz seines Anfalls vergaß er mein nicht und säumte nicht, mich persönlich davon zu benachrichtigen, daß ich mich hinsichtlich seiner Gesinnung wie seines Zustandes zu ängstlichen Befürchtungen hingegeben hätte. Aber es ist Zeit, zu dem großen Umschwunge meines Schicksals zu kommen, zu der Katastrophe, die mein Leben in zwei so verschiedene Theile getheilt und aus einer so unbedeutenden Ursache so furchtbare Wirkungen hervorgerufen hat.
    Eines Tages, als ich an nichts weniger dachte, ließ mich Frau von Epinay durch einen Boten holen. Beim Eintreten gewahrte ich an ihren Augen und an ihrer ganzen Haltung etwas Verlegenes, was mir um so auffallender erschien, als ein derartiges Benehmen bei ihr höchst ungewöhnlich war, da niemand in der Welt sein Gesicht und seine Bewegungen besser zu beherrschen verstand als gerade sie. »Mein Freund,« sagte sie, »ich reise nach Genf; ich leide sehr an der Brust; meine Gesundheit ist bis zu dem Grade angegriffen, daß ich mich durch nichts andres darf abhalten lassen und Tronchin aufsuchen und um Rath fragen muß.« Dieser so plötzlich und noch dazu beim Eintritt der schlechten Jahreszeit gefaßte Entschluß überraschte mich um so mehr, als ich sie erst vor sechsunddreißig Stunden verlassen hatte, ohne daß davon die Rede gewesen wäre. Ich fragte sie nach ihrer Begleitung. Sie erwiderte, sie würde ihren Sohn nebst Herrn von Linant mitnehmen, und dann bemerkte sie nachlässig: »Und Sie, mein Bär, werden Sie nicht auch mitkommen?« Da ich nicht glaubte, daß sie im Ernste spräche, weil sie wußte, daß ich in der beginnenden Jahreszeit kaum fähig war, mein Zimmer zu verlassen, so scherzte ich darüber, wie ersprießlich es wäre, wenn ein Kranker den andern begleitete; sie schien auch selbst den Vorschlag nicht ernstlich gemeint zu haben, und es war nicht weiter die Rede davon. Wir sprachen nur noch von ihren Reisevorbereitungen, mit denen sie sich mit großer Lebhaftigkeit beschäftigte, da sie schon in vierzehn Tagen abzureisen gedachte.
    Ich bedurfte nicht großen Scharfsinnes, um zu begreifen, daß diese Reise durch einen geheimen Beweggrund, den man mir verschwieg, veranlaßt wurde. Dieses Geheimnis, welches im ganzen Hause nur für mich vorhanden war, wurde schon am folgenden Tage von Therese

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