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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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entdeckt, der es Teissier, der Haushofmeister, der es durch die Kammerfrau erfuhr, offenbarte. Obgleich ich dieses Geheimnis nicht zu verschweigen verpflichtet bin, da es mir nicht von Frau von Epinay anvertraut wurde, so steht es doch mit andern, die ich von ihr selbst erfuhr, in zu engem Zusammenhange, als daß ich es von ihnen trennen könnte, ich werde deshalb über diesen Punkt schweigen. Aber diese Geheimnisse, die weder meinem Mund noch meiner Feder je entschlüpft sind noch je entschlüpfen werden, sind zu vielen Leuten bekannt gewesen, um nicht die ganze Umgebung der Frau von Epinay zu Mitwissern zu haben.
    Ueber den wahren Beweggrund dieser Reise unterrichtet, würde ich in dem Versuche, mich zum Ehrenhüter der Frau von Epinay zu machen, den geheimen Antrieb einer feindlichen Hand erkannt haben; aber sie hatte so wenig Gewicht darauf gelegt, daß ich dabei blieb, diesen Versuch nicht als Ernst zu betrachten, und ich lachte nur über die schöne Figur, die ich dabei gespielt hätte, wäre ich so thöricht gewesen, diese Rolle zu übernehmen. Uebrigens brachte ihr meine Weigerung großen Vortheil, denn es gelang ihr, ihren Mann zu bewegen, ihr Reisebegleiter zu werden.
    Einige Tage darauf erhielt ich von Diderot das Billet, welches ich hier mittheilen will. Dieses nur einmal und noch dazu in der Weise zusammengelegte Billet, daß der ganze Inhalt ohne Mühe gelesen werden konnte, wurde an mich unter der Adresse der Frau von Epinay gesandt und Herrn von Linant, dem Erzieher des Sohnes und dem Vertrauten der Mutter zur Einhändigung an mich übergeben.
    Billet Diderots. (Heft A, Nr. 52.)
    »Ich bin geschaffen, um Sie zu lieben und Ihnen Kummer zu bereiten. Ich vernehme, daß Frau von Epinay nach Genf reist, und höre nicht sagen, daß Sie sie begleiten. Mein Freund, im Frieden mit Frau von Epinay müssen Sie mit ihr reisen, im Unfrieden müssen Sie noch viel eher reisen. Fühlen Sie sich von der Last der Verpflichtungen, die Sie ihr gegenüber haben, zu Boden gedrückt, so haben Sie hier eine Gelegenheit, einen Theil derselben abzutragen und sich zu erleichtern. Werden Sie in Ihrem Leben eine andere Gelegenheit finden, ihr Ihre Dankbarkeit zu bezeugen? Sie begiebt sich in ein Land, wo sie wie aus den Wolken gefallen sein wird. Sie ist krank: sie wird Vergnügen und Zerstreuung bedürfen. Der Winter! Ei ja, mein Freund. Der Einwand Ihrer Gesundheit kann in der That weit gewichtiger sein, als er mir vorkommt. Aber sind Sie heute leidender, als Sie vor einem Monate waren und beim Beginn des Frühlings sein werden? Werden Sie die Reise nach drei Monaten unter günstigeren Umständen machen als jetzt? Ich für meine Person gestehe Ihnen, könnte ich es im Wagen nicht ertragen, würde ich einen Stock nehmen und ihr zu Fuß folgen. Und befürchten Sie nicht ferner, daß man Ihr Verhalten falsch auslege? Man wird Sie entweder der Undankbarkeit oder eines andren geheimen Beweggrundes verdächtigen. Ich weiß wohl, daß Sie, was Sie auch thun mögen, immer das Zeugnis Ihres guten Gewissens für sich haben werden. Allein reicht ein solches Zeugnis allein aus, und ist es gestattet, das der übrigen Menschen bis zu einem gewissen Grade zu vernachlässigen? Uebrigens, mein Freund, habe ich es für meine Pflicht gegen Sie wie gegen mich gehalten, Ihnen dieses Billet zu schreiben. Mißfällt es Ihnen, so werfen Sie es ins Feuer, und möge dann nicht mehr die Rede davon sein, als wäre es nie geschrieben. Ich grüße Sie, liebe Sie und umarme Sie.«
    Das zornige Erbeben, die ohnmächtige Wuth, die sich meiner bei der Lectüre dieses Billets bemächtigten und sie mir kaum zu vollenden erlaubten, hinderten mich nicht, die Geschicklichkeit wahrzunehmen, mit der Diderot einen sanfteren, einschmeichelnderen, freundlicheren Ton anschlug, als in allen seinen Briefen, in denen er mich höchstens »mein Lieber« titulirte, ohne sich je herabzulassen, mir den Freundesnamen zu geben. Ich erkannte leicht die unreine Quelle dieses Billets, dessen Aufschrift, Form und Bestellung den Umweg sogar ziemlich ungeschickt verdeckten; denn wir schrieben uns gewöhnlich durch die Post oder durch den regelmäßigen Boten von Montmorency, und dies war das erste und einzige Mal, daß er sich dieses Weges bediente.
    Als das erste Aufbrausen meiner Entrüstung mir zu schreiben erlaubte, entwarf ich schnell folgende Antwort an ihn, die ich augenblicklich von der Eremitage, wo ich damals war, nach der Chevrette hintrug, um sie Frau von Epinay zu zeigen,

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