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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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beilegte, so konnte ich ihm denselben nicht zum Vorwurf machen, weil er ihn nie angenommen hatte; allein ich zweifle nicht, daß er wirklich ein Edelmann war, und Lord Marschall, der sich auf Menschen verstand, und in seiner Heimat gewesen war, hat ihn stets als einen solchen angesehen und behandelt.
    Sobald er abgereist war, erklärte sich die Magd des Wirthshauses, in dem er zu Motiers speiste, für schwanger von ihm. Sie war eine so häßliche alte Vettel und Sauttern, überall in der ganzen Gegend wegen seines Benehmens und sittlichen Verhaltens geachtet und geschätzt, war auf seine Anständigkeit so stolz, daß diese schamlose Aufführung jedermann Aergernis gab. Die liebenswürdigsten Damen im Orte, die vergeblich alle ihre Reize gegen ihn aufgeboten hatten, waren wüthend; ich war vor Unwillen außer mir. Ich gab mir alle Mühe, diese freche Dirne verhaften zu lassen, indem ich mich erbot, alle Kosten zu zahlen und für Sauttersheim zu bürgen. Ich schrieb an ihn in der festen Ueberzeugung, daß diese Schwangerschaft nicht allein nicht von ihm herrührte, sondern überhaupt nur erdichtet und alles lediglich ein von seinen und meinen Feinden angestiftetes Spiel wäre. Ich verlangte, er sollte nach Motiers zurückkehren, um das ehrlose Weibsbild und die, welche sie zum Reden veranlaßt hatten, zu Schande zu machen. Ich war über die Unentschiedenheit seiner Antwort überrascht. Er schrieb an den Geistlichen, zu dessen Pfarrei die Dirne gehörte, und brachte die Geschichte zum Schweigen. Als ich dies wahrnahm, hörte ich auf, mich hineinzumischen, sehr erstaunt, daß sich ein solcher Wüstling dergestalt hatte beherrschen können, um mir bei aller Vertraulichkeit durch sein zurückhaltendes Benehmen Achtung einzuflößen.
    Von Straßburg begab sich Sauttersheim nach Paris, um dort sein Glück zu suchen, und fand daselbst nur Elend. Er schrieb an mich und bekannte mir seine Schuld. Bei dem Andenken an unsere frühere Freundschaft wurde mein Herz von Rührung ergriffen; ich schickte ihm etwas Geld. Im folgenden Jahre sah ich ihn bei meiner Durchreise durch Paris fast in dem nämlichen Zustande wieder, aber mit Herrn Laliand sehr befreundet, ohne daß ich in Erfahrung bringen konnte, woher diese Bekanntschaft rührte, und ob sie alt oder neu war. Zwei Jahre später kehrte Sauttersheim nach Straßburg zurück, von wo aus er an mich schrieb und wo er gestorben ist. Das ist in kurzen Umrissen die Geschichte unserer Verbindung und alles dessen, was ich von seinen Abenteuern weiß; aber wenn ich auch das Schicksal dieses unglücklichen jungen Mannes bedaure, werde ich doch nie aufhören zu glauben, daß er von vornehmer Geburt und alles Tadelhafte in seiner Aufführung die Folge der Lage war, in der er sich befand.
    Dies waren die neuen Verbindungen und Bekanntschaften, die ich in Motiers anknüpfte. Wie vieler hätte es doch bedurft, um die schmerzlichen Verluste zu ersetzen, die ich in derselben Zeit erlitt!
    Der erste war der des Herrn von Luxembourg, der, nachdem er lange von den Aerzten gequält worden war, endlich ihr Opfer wurde, da sie die Gicht, die sie nicht erkannten, wie ein heilbares Leiden behandelten.
    Darf man dem Berichte, den mir La Roche, der Vertrauensmann der Frau Marschall darüber schrieb, Glauben schenken, so hat man nach diesem eben so traurigen wie bemerkenswerthen Beispiele alle Ursache, die Beschwerden der Größe zu bedauern.
    Der Verlust dieses hohen und guten Würdenträgers war mir um so schmerzlicher, als er der einzige wahre Freund war, den ich in Frankreich hatte; die Sanftmuth seines Charakters war der Art, daß sie mich seinen Rang völlig hatte vergessen lassen, um mich an ihn wie an meines Gleichen anzuschließen. Unsere Verbindung hörte in Folge meiner Entfernung nicht auf, und er fuhr fort, wie sonst an mich zu schreiben. Gleichwohl glaubte ich zu bemerken, daß die Trennung oder mein Unglück seine Liebe erkaltet habe. Für einen Hofmann ist es sehr schwer, die Anhänglichkeit an einen in Ungnade Gefallenen in gleicher Stärke zu bewahren. Ueberdies ist mir meines Erachtens der große Einfluß, welchen Frau von Luxembourg auf ihn hatte, nicht günstig gewesen; gewiß hatte sie meine Entfernung benutzt, um mir bei ihm zu schaden. Was sie angeht, so verhehlte sie trotz einiger erheuchelten und immer seltener werdenden Freundschaftsversicherungen die Veränderung ihrer Gesinnung gegen mich von Tage zu Tage weniger. Vier- oder fünfmal schrieb sie von Zeit zu Zeit an mich, so lange

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