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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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sollte ihm dorthin folgen; aber dieser Plan war für mich zu bezaubernd, als daß ich auf seine Verwirklichung hätte rechnen können. Er blieb nicht in Schottland. Die zärtlichen Bitten des Königs von Preußen riefen ihn nach Berlin zurück, und man wird bald sehen, wie ich verhindert wurde, dort mit ihm wieder zusammenzutreffen.
    Da er den Sturm, den man gegen mich zu erregen begann, voraussah, sandte er mir vor seiner Abreise aus eigenem Antriebe einen Naturalisationsschein, der eine sehr sichere Vorsichtsmaßregel gegen den Versuch, mich des Landes zu verweisen, zu sein schien. Die Gemeinde Couvet, im Val de Travers folgte dem vom Gouverneur gegebenen Beispiele und gab mir den Heimatsschein unentgeltlich, wie mir ersterer bewilligt war. Auf diese Weise in jeder Hinsicht Bürger des Landes geworden, war ich gegen jede gesetzliche Ausweisung, selbst von Seiten des Fürsten, geschützt; aber freilich hat man den unter allen Menschen, der die Gesetze stets am gewissenhaftesten geachtet hat, auf gesetzlichen Wegen nie verfolgen können.
    Unter die Zahl der Verluste, welche ich um die gleiche Zeit erlitt, glaube ich den des Abbé von Mably nicht rechnen zu dürfen. Als ich bei seinem Bruder wohnte, hatte ich in einiger, wenn auch nicht sehr vertrauter, Verbindung mit ihm gestanden, und ich habe Grund zur Annahme, daß seine Gefühle für mich ihre Natur verändert hatten, seitdem ich eine größere Berühmtheit erlangt als er. Aber bei dem Erscheinen der »Briefe vom Berge« erhielt ich das erste Zeichen seiner Abneigung gegen mich. Man zeigte in Genf einen ihm zugeschriebenen Brief an Frau Saladin umher, in welchem er dieses Werk als das aufrührerische Geschrei eines zügellosen Demagogen bezeichnete. Die Achtung, die ich für den Abbé von Mably hegte, und das Gewicht, das ich auf seine Einsicht legte, gestatteten mir nicht einen Augenblick zu glauben, dieser ungereimte Brief könnte von ihm sein. Ich entschloß mich deshalb zu einem Schritte, den mir meine Freimütigkeit eingab; ich sandte ihm eine Abschrift des Briefes mit der Mitteilung, daß man ihn ihm zuschriebe. Er gab mir keine Antwort. Dieses Schweigen setzte mich in Staunen; aber man denke sich meine Ueberraschung, als mir Frau von Chenonceaux schrieb, der Brief wäre wirklich von dem Abbé, und der meinige hätte ihn sehr in Verlegenheit gesetzt. Denn wie konnte er, hätte er auch Recht gehabt, einen Aufsehen erregenden und öffentlichen Schritt entschuldigen, den er ohne Grund, ohne Verpflichtung, ohne Nothwendigkeit bloß zu dem Zwecke gethan hatte, einen Mann, dem er stets Wohlwollen erzeigt und der sein Vertrauen nie gemißbraucht, inmitten seines Unglücks niederzuschmettern? Einige Zeit später erschienen die »Gespräche des Phocion«, in denen ich nichts als eine unerlaubte und schamlose Compilation aus meinen Schriften erblickte. Bei der Lectüre dieses Buches erkannte ich, daß der Verfasser gegen mich feste Stellung genommen hatte und ich von nun an keinen unnachsichtigeren Feind haben würde. Ich glaube, daß er mir den » Contrat social «, der seine Kräfte zu sehr überstieg, und den »Ewigen Frieden« nie verziehen hat und er einen Auszug aus den Schriften des Abbé von Saint-Pierre von mir nur zu wünschen schien, weil er vermuthete, ich würde dieser Aufgabe nicht gewachsen sein.
    Je mehr ich in meiner Erzählung vorschreite, desto weniger vermag ich Ordnung und Reihenfolge innezuhalten. Die Unruhe meiner übrigen Lebenszeit hat den Ereignissen nicht Zeit gelassen, sich in meinem Kopfe zu ordnen. Sie sind zu zahlreich, zu sehr mit einander verwebt, zu unangenehm gewesen, um ohne Verwirrung erzählt werden zu können. Der einzige starke Eindruck, den sie in mir zurückgelassen haben, ist der von einem entsetzlichen Geheimnisse, das ihre Ursache verschleiert, und von dem bedauerlichen Zustande, in den sie mich versetzt haben. Meine Erzählung kann nur noch auf gut Glück und je nach den in mir auftauchenden Erinnerungen vorwärts schreiten. Ich entsinne mich, daß ich mich in der Zeit, von der ich rede, lebhaft mit dem Gedanken an meine Bekenntnisse trug und von ihnen sehr unvorsichtiger Weise mit aller Welt sprach, da ich nicht einmal daran dachte, daß jemand ein Interesse oder den Willen oder die Macht hätte, dieses Unternehmen zu verhindern; und hätte ich es geglaubt, so würde ich bei der völligen Unmöglichkeit, in der ich mich nach meiner Natur befinde, meine Gefühle und Gedanken zu verhehlen, schwerlich verschwiegener gewesen

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