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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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diese Weise einer nicht abzuschüttelnden Dienstbarkeit gegenüber sah, gab ich mich ihr widerstandslos hin und fand sie, wenigstens im ersten Jahre, weniger beschwerlich, als ich erwartet hätte. Frau von Epinay, die gewöhnlich fast den ganzen Sommer auf dem Lande zubrachte, hielt sich diesmal nur während eines Theiles desselben dort auf. sei es daß ihre Geschäfte sie länger in Paris zurückhielten, sei es daß ihr Grimms Abwesenheit den Aufenthalt auf der Chevrette weniger angenehm machte. Die Zeiten, in denen sie nicht auf dem Lande weilte oder viel Besuch hatte, benutzte ich, um mit meiner guten Therese und ihrer Mutter die Einsamkeit in einer Weise zu genießen, durch die mir ihr Werth erst recht fühlbar wurde. Obgleich ich schon seit einigen Jahren auf das Land ging, hatte mir dies doch fast keinen Genuß gewährt, und diese immer mit anspruchsvollen Leuten unternommenen und durch Zwang verdorbenen Reisen hatten keine andere Folge gehabt, als in mir die Vorliebe für ländliche Vergnügungen zu erhöhen, deren Bild ich nur von weitem erblickte, um ihre Entbehrung desto schmerzlicher zu empfinden. Mich langweilten Säle, Wasserkünste, Haine, Blumenbeete und die noch langweiligeren Leute, die sich mit ihnen brüsteten, in so hohem Grade; ich hatte Broschüren, Klimperkasten, L'hombre, literarische Zänkereien, alberne Wortspiele, fade Schönthuereien, kleinliche Schwätzer und großartige Soupers so herzlich satt, daß, wenn ich nur einen verstohlenen Blick auf einen einfachen armen Dornenstrauch, eine Hecke, eine Scheuer, eine Wiese warf, wenn ich beim Durchschreiten eines Dorfes nur den Duft eines guten Eierkuchens mit Kerbel einathmete, wenn ich nur von ferne den ländlichen Refrain des Gesanges der Hirtinnen vernahm, ich Schminke und Falbeln und Pomadentöpfe zum Teufel wünschte, und der Hunger nach Hausmannskost und Landwein in mir erwachte. Gern hätte ich dann dem Herrn Küchenmeister und dem Herrn Tafelmeister, die mich des Abends, zu Mittag und zur Schlafenzeit zu Abend speisen ließen, mit der Faust ins Gesicht geschlagen, vor allen aber den Herren Lakaien, die meine Bissen mit den Augen verschlangen und mir bei quälendem Durste, daß ich hätte sterben mögen, den verfälschten Wein ihres Herrn zehnmal theurer verkauften, als ich in jeder Schenke für bessern hätte zu zahlen brauchen.
    Da war ich denn nun endlich in meinem eigenen Häuschen, in einem gemüthlichen und einsam gelegenen Asyle und hatte es in meiner Macht, meine Tage in jenem unabhängigen, gleichmäßigen und friedlichen Leben hinzubringen, für welches ich mich geboren fühlte. Ehe ich jedoch die Wirkung auseinandersetze, welche dieser mir so neue Zustand auf mein Herz ausübte, ist es nöthig noch einmal auf die geheimen Neigungen desselben hinzuweisen, damit man den Fortschritt dieser neuen Veränderungen besser in ihren Ursachen verfolgen kann.
    Ich habe den Tag, der mich mit meiner Therese verband, stets als denjenigen betrachtet, der mein sittliches Sein bestimmte. Ich hatte das Bedürfnis nach einem Liebesverhältnis, da das, welches mir hätte genügen müssen, endlich so grausam zerrissen war. Der Durst nach Glück erlöscht im Herzen des Menschen nicht. Mama wurde alt und sank mehr und mehr. Ich hielt es für erwiesen, daß sie hienieden nicht mehr glücklich werden konnte. Folglich mußte ich mir ein eigenes Glück suchen, nachdem ich jede Hoffnung verloren hatte, je das ihrige zu theilen. Eine Zeit lang schwankte ich von Idee zu Idee, von Plan zu Plan. Meine Reise nach Venedig hätte mich in die öffentlichen Geschäfte gestürzt, hätte der Mann, mit dem ich es dort zu thun bekam, gesunden Menschenverstand gehabt. Ich bin leicht zu entmuthigen, namentlich bei mühseligen und weit aussehenden Unternehmungen. Der schlechte Ausgang dieser ersten verleidete mir jede andere; und da ich nach meinem Grundsatze fernliegende Dinge als Lockspeise für Narren ansah, entschloß ich mich, von nun an nur an den morgenden Tag zu denken, indem ich im Leben nichts mehr erblickte, was mich zu Anstrengungen versucht hätte.
    Gerade damals entstand unsere Bekanntschaft. Der sanfte Charakter dieses guten Mädchens schien mir so wohl zu dem meinigen zu passen, daß ich mich an sie mit einer Liebe anschloß, die Zeit und Anfechtungen nicht zu erschüttern vermochten, und die alles, was sie hätte ertödten müssen, stets nur noch mehr steigerte. Man wird späterhin die Kraft dieser Liebe erkennen, wenn ich die Wunden, das tiefe Weh

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