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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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machte mich gegen die Spötteleien derer, die ihnen huldigten, unempfindlich und ich zerschmetterte ihre kleinlichen Wortwitze mit meinen in kurzen Worten ausgesprochenen Wahrheiten, wie ich ein Insekt zwischen meinen Fingern zerdrücken würde. Welche Wandelung! Ganz Paris sprach die scharfen und beißenden Sarkasmen desselben Menschen nach, der zwei Jahre vorher und zehn Jahre nachher weder den Gegenstand, den er besprechen wollte, noch die passende Einkleidung zu finden wußte. Sucht man den meiner Natur widersprechendsten Zustand von der Welt, so wird man bei dem bezeichneten stehen bleiben müssen. Erinnert man sich eines jener kurzen Augenblicke in meinem Leben, in dem ich ein anderer wurde und mein altes Ich verläugnete, so findet man es in der Zeit, von der ich rede, eben so; aber statt sechs Tage oder sechs Wochen wie sonst zu dauern, dauerte dieser Lebensabschnitt diesmal beinahe sechs Jahre und würde ohne die besonderen Umstände, die ihm ein Ende bereiteten und mich der Natur zurückgaben, über welche ich mich hatte erheben wollen, vielleicht noch dauern.
    Diese Wandlung begann, sobald ich Paris verlassen hatte und der Anblick der Laster dieser großen Stadt der Entrüstung, mit der er mich erfüllt, keine Nahrung mehr gab. Als ich die Menschen nicht mehr sah, hörte ich auf, sie zu verachten: als ich die Schlechten nicht mehr sah, hörte ich auf, sie zu hassen. Mein für den Haß wenig geschaffenes Herz war nur fähig, ihr Elend zu beklagen, und betrachtete dieses nur als einen Ausfluß ihrer Schlechtigkeit. Dieser zwar sanftere, dafür aber auch wenig erhabene Seelenzustand ertödtete gar bald die brennende Begeisterung, die mich so lange fortgerissen hatte, und ohne daß man es wahrnahm, ja ohne daß ich es fast selber wahrnahm, wurde ich wieder blöde, nachgiebig, unsicher, mit einem Worte der nämliche Jean-Jacques, der ich vorher gewesen war.
    Hätte mich diese Umwandlung nur mir selber wiedergegeben und wäre dabei stehen geblieben, so wäre alles gut gewesen, aber leider ging sie weiter und führte mich mit Windeseile zum andern Extreme. Von da an hat meine ins Schwanken gerathene Seele die Ruhe verloren, ihre unaufhörlich wiederkehrenden Schwankungen haben sie nie das Gleichgewicht wiederfinden lassen. Besprechen wir ausführlicher die Einzelheiten dieses zweiten Umschwunges, des entsetzlichen und verhängnisvollen Abschnittes eines Schicksals, das bei Sterblichen beispiellos ist.
    Da wir in unserer Zurückgezogenheit nur unser drei waren, mußten die Muße und die Einsamkeit das Trauliche unseres Zusammenlebens natürlich noch erhöhen. Dies zeigte sich auch bei Therese und bei mir. Entzückende Stunden, deren Reiz ich nie in so hohem Grade empfunden hatte, brachten wir miteinander im Waldesschatten zu. Auch sie schien ihn noch mehr zu fühlen, als sie bisher gethan hatte. Sie eröffnete mir rückhaltlos ihr Herz und erzählte mir von ihrer Mutter und ihrer Familie Dinge, die sie Kraft gehabt, mir lange Zeit zu verschweigen. Beide hatten von Frau Dupin viele für mich bestimmte Geschenke empfangen, welche sich die verschmitzte Alte unter dem Vorwande, daß ich mich nicht darüber ärgern sollte, für sich und ihre andren Kinder angeeignet hatte, ohne Therese einen Theil davon zukommen zu lassen, und mit dem strengsten Verbote, mir etwas davon mitzutheilen, welchem Verbote das arme Mädchen mit unglaublichem Gehorsam nachgekommen war.
    Noch weit mehr überraschte es mich indessen zu vernehmen, daß außer den geheimen Unterredungen, welche Diderot und Grimm oft mit der einen wie der andern gehabt, um sie mir abwendig zu machen, was jedoch an Theresens Widerstand gescheitert war, beide seitdem mit ihrer Mutter häufig im Geheimen unterhandelten, ohne daß sie über den Gegenstand dieser Abmachungen etwas hätte erfahren können. Sie wußte nur, daß es dabei kleine Geschenke gegeben hätte und ein öfteres Gehen und Kommen stattfände, daß man ihr zu verheimlichen suchte und dessen Beweggrund ihr völlig unbekannt war. Schon lange vor unserem Scheiden von Paris pflegte Frau Le Vasseur Grimm monatlich zwei- oder dreimal zu besuchen und bei ihm einige Stunden in so geheimer Unterredung zuzubringen, daß selbst Grimms Lakai regelmäßig fortgeschickt wurde.
    Ich suchte den Grund in dem nämlichen Plane, in den man sich bemüht hatte auch die Tochter durch das Versprechen zu verstricken, ihnen durch Frau von Epinay eine Salzniederlage oder ein Tabaksbureau zu verschaffen, welche Aussicht auf

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