Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
Vom Netzwerk:
Zimmer und unter den Balken einer Decke befinde. Ich habe oft bedauert, daß es keine Dryaden giebt; unter ihnen hätte ich unfehlbar die gefunden, die mich für immer gefesselt hätte.
    Andere häusliche Unannehmlichkeiten traten gleichzeitig hinzu, meinen Aerger zu vermehren. Während mir Frau Le Vasseur die schönsten Höflichkeiten von der Welt sagte, entfremdete sie mir ihre Tochter, so viel sie konnte. Aus meiner alten Nachbarschaft erhielt ich Briefe, die mich davon in Kenntnis setzten, daß die wackre Alte ohne mein Wissen auf den Namen Theresens, die darum wußte und mir nichts davon gesagt hatte, mehrere Schulden gemacht. Die Notwendigkeit, diese Schulden zu bezahlen, verdroß mich weit weniger als das Geheimnis, welches man mir daraus gemacht hatte. Ach, wie konnte sie, vor der ich nie ein Geheimnis hatte, eines vor mir haben? Kann man Leuten, die man liebt, etwas verhehlen? – Die Holbachsche Sippschaft, die mich keinen Abstecher nach Paris machen sah, begann im Ernste zu besorgen, daß es mir auf dem Lande gefiele, und ich thöricht genug wäre, daselbst wohnen zu bleiben. Nun begannen die Scherereien, durch welche man mich mittelbar in die Stadt zurückzubringen suchte. Diderot, der sich nicht so bald persönlich zeigen wollte, sandte zuerst Deleyre an mich ab, mit dem ich ihn bekannt gemacht hatte. Dieser erhielt und theilte mir die Eindrücke mit, die ihm Diderot geben wollte, ohne daß er, Deleyre, die wahre Absicht begriff.
    Alles schien sich zu vereinen, mich meiner süßen und albernen Träumerei zu entreißen. Noch war ich von meinem Anfall nicht wieder hergestellt, als ich ein Exemplar des Gedichtes auf die Zerstörung Lissabons erhielt, das mir, wie ich annahm, der Verfasser zugeschickt hatte. Dies legte mir die Verpflichtung auf, an ihn zu schreiben und seine Arbeit zu besprechen. Ich that es in meinem Briefe, der, wie später berichtet werden wird, nachher ohne meine Erlaubnis gedruckt wurde.
    Betroffen, diesen armen, gleichsam von Glücksgütern und Ruhm niedergebeugten Mann gleichwohl bitterlich wider das Elend dieses Lebens eifern und beständig klagen zu hören, daß alles grundschlecht wäre, faßte ich den unsinnigen Plan, ihn zur richtigen Erkenntnis zu bringen und ihm zu beweisen, daß alles gut wäre. Während sich Voltaire immer den Anschein giebt, an Gott zu glauben, hat er in Wahrheit immer nur an den Teufel geglaubt, da sein vermeintlicher Gott nur ein bösartiges Wesen ist, das nach seiner Darstellung nur Lust am Schaden hat. Die Ungereimtheit dieser Auffassung, die in die Augen springt, ist namentlich bei einem mit Gütern jeglicher Art überhäuften Manne empörend, der aus dem Schooße des Glücks heraus seine Mitmenschen durch das entsetzliche und grauenvolle Bild aller Noth, von der er selbst frei ist, in Verzweiflung zu stürzen sucht. Mehr als er berechtigt, die Leiden des menschlichen Daseins zu zählen und abzuwägen, unterzog ich sie einer billigen Prüfung und führte ihm den Nachweis, daß von allen diesen Leiden kein einziges der Vorsehung zur Last gelegt werden könnte, und daß ihre Quelle mehr in dem Mißbrauche läge, welchen der Mensch mit seinen Gaben triebe, als in der Natur selber. In diesem Briefe behandelte ich ihn mit allen Rücksichten, mit aller Hochachtung, mit aller Schonung und ich kann selbst sagen mit aller Ehrfurcht, die nur möglich waren. Da ich indessen seine äußerst reizbare Eigenliebe kannte, schickte ich diesen Brief nicht an ihn selbst, sondern an seinen Freund, den Doctor Trouchin, mit der Vollmacht, ihn nach eigenem Ermessen abzugeben oder zurückzuhalten. Tronchin gab den Brief ab. Voltaire erwiderte mir in wenigen Zeilen, daß er, da er krank und selbst Krankenpfleger wäre, mir seine Antwort später zugehen lassen würde, und berührte die Sache selbst mit keinem Worte. Tronchin, der mir diesen Brief sandte, legte einen von seiner eigenen Hand bei, in welchem er sich über seinen Auftraggeber mit wenig Achtung aussprach.
    Ich habe diese beiden Briefe nie veröffentlicht oder auch nur gezeigt, da ich mit dergleichen kleinen Triumphen nicht gern prahle, aber sie finden sich im Originale in meinen Sammlungen (Heft A, Nr. 20 und 21). Später hat Voltaire die Antwort, die er mir versprochen, aber nicht gesandt hatte, veröffentlicht. Sie besteht in nichts Andrem als in dem Roman »Candide«, von dem ich nicht reden kann, weil ich ihn nicht gelesen habe.
    Alle diese Ablenkungen hätten mich gründlich von meinen überspannten Liebeleien

Weitere Kostenlose Bücher