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Roverandom

Roverandom

Titel: Roverandom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. R. R. Tolkien
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des Echos ihrer Stimmen, das mit einer plötzlichen, leicht fächelnden Brise niederkam. Er setzte sich auf und stieß das lauteste Gebell aus, das er seit Beginn dieser Erzählung von sich gegeben hatte.
    »Liebe Güte!«, rief der Mann im Mond, sprang hellwach auf und mit einem Satz aus der Hängematte ins Gras, fast auf Roverandoms Schwanz. »Sind sie schon angekommen?«
    »Wer?«, fragte Roverandom.
    »Nun, wenn du sie nicht hörst, warum bellst du dann?«, sagte der alte Mann. »Komm! Hier entlang.«Sie gingen einen langen grauen Pfad hinab, an den Seiten durch schwach leuchtende Steine markiert und von Büschen überwölbt. Im weiteren Verlauf wurden die Büsche zu Kiefern, und die Luft war erfüllt vom Geruch von Kiefern bei Nacht. Dann begann der Pfad anzusteigen; und nach einiger Zeit gelangten sie auf die Höhe des niedrigsten Punktes des Bergringes, der sie umschloss. Da blickte Roverandom in das nächste Tal hinunter; und alle Nachtigallen hörten auf zu singen, als wäre ein Hahn zugedreht worden, und die Stimmen der Kinder schwebten klar und lieblich herauf, denn sie sangen ein zartes Lied mit vielen Stimmen, zu einer einzigen Melodie vereint.
    Der alte Mann rannte und hüpfte den Hang hinunter, und der Hund hinterher. Ehrlich! Der Mann im Mond konnte von Stein zu Stein springen!
    »Komm, komm!«, rief er. »Ich bin vielleicht ein bärtiger Ziegenbock, eine wilde oder zahme Ziege, aber du kannst mich nicht einholen!« Und Roverandom musste fliegen, um mit ihm Schritt zu halten.
    Und so kamen sie plötzlich an einen steilen Klippenrand, nicht sehr hoch, aber dunkel und glattpoliert wie Jett. Über den Rand spähend sah Roverandom unten einenGarten im Zwielicht; und als er hinsah, verwandelte es sich in das sanfte Leuchten einer Nachmittagssonne, obgleich er nicht sehen konnte, woher das weiche Licht kam, das den ganzen geschützten Fleck erhellte und über ihn nicht hinausdrang. Da waren graue Springbrunnen und weite Rasenflächen; und überall Kinder, die versunken tanzten, träumend wanderten und mit sich selber sprachen. Einige schüttelten sich, als wären sie gerade aus tiefem Schlaf erwacht; einige rannten bereits hellwach und lachend umher: Sie gruben, pflücktenBlumen, bauten Zelte und Häuser, haschten nach Schmetterlingen, spielten Ball, kletterten auf Bäume; und alle sangen.
    »Wo kommen sie alle her?«, fragte Roverandom verwundert und entzückt.
    »Aus ihren Häusern und Betten natürlich«, sagte der Mann.
    »Und wie kommen sie hierher?«
    »Das werde ich dir nie und nimmer erzählen; und du wirst es nie herausfinden. Du hast Glück, und glücklich ist jeder, der auf irgendeine Weise überhaupt herkommt; aber auf jeden Fallkommen die Kinder nicht auf deinem Weg. Manche kommen oft und manche selten, und für die meisten Träume sorge ich. Ein wenig davon bringen sie natürlich mit, wie ein Schulbrot, und ein wenig (das muss ich leider sagen) helfen die Spinnen mit – aber nicht in diesem Tal, und nicht, wenn ich sie dabei erwische. Und jetzt komm, wir wollen uns unter sie mischen!«
    Die Klippe aus Jett fiel steil ab. Sie war viel zu glatt zum Erklimmen, selbst für eine Spinne – nicht dass eine Spinne je den Versuch gewagt hatte; denn sie mochte wohl hinabgleiten, doch weder sie noch etwas anderes konnte wieder hinaufgelangen; und in diesem Garten gab es verborgene Wächter, ganz zu schweigen vom Mann im Mond, ohne den jedes Fest unvollständig war, denn es waren seine eigenen Feste.
    Und jetzt schlitterte er mitten hinein in dieses Fest. Er setzte sich einfach hin und rodelte, wutsch!, mitten hinein in einen Haufen Kinder, und Roverandom rollte direkt vor ihm, denn er hatte ganz vergessen, dass er fliegen konnte. Oder hätte fliegen können – denn als er sich am Grund aufrappelte, stellte er fest, dass seine Flügel fort waren.
    »Was treibt dieser kleine Hund?«, fragte ein kleiner Junge den Mann. Roverandom drehte sich wie ein Brummkreisel und versuchte, einen Blick auf seinen Rücken zu werfen.
    »Er sucht nach seinen Flügeln, mein Junge. Er glaubt, er hätte sie sich beim Rutschen abgescheuert, aber sie sind in meiner Tasche. Hier unten sind keine Flügel erlaubt, und ohne Erlaubnis kommt niemand hier raus, stimmt’s?«
    »Ja! Vater Langbart!«, sagten etwa zwanzig Kinder zugleich, und ein Junge ergriff den Bart des alten Mannes und kletterte daran hoch auf seine Schulter. Roverandom erwartete, dass er auf der Stelle in eine Motte oder in ein Stück Radiergummi oder etwas

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