Roxelane
mit Nino entsinnen konnte, ließ sie die Freundin ihrer Jugend dennoch zu sich auf die Bank. Vielleicht solle es so etwas wie ein Abschiednehmen sein vor dem Sturz in die Ehe, fiel ihr ein.
Doch in Ninos Worten war nichts von jener weiblichen Gefühlsseligkeit, die Roxelane so gut kannte, weil sie ihr so oft entgegengebracht worden war.
Dem flüchtigen Blick freilich hätten sie beide das Bild von Freundinnen geboten, die sich umarmten. Aber in der Umarmung hörte Roxelane aus Ninos Geflüster das Schreckliche.
Es war die Nachricht von Ibrahims Verrat.
Esmas Mann, den sie selbst mit der Freundin verheiratet, den sie zum Großwesir erhoben, dem sie bei Soliman immer das Wort geredet und den sie gegen alle Angriffe Hafsa Chatuns verteidigt hatte -Ibrahim wandte sich gegen sie.
Es war schlimmer. Ibrahim wandte sich gegen ihre Söhne.
Und doch war er stillschweigend dem Pakt beigetreten, der zwischen Esma und ihr bestand. Unbeirrbar hatte er die Ansprüche von Roxelanes Kindern zu vertreten, und ihr Ältester hatte ihm als Schah-zadey zu gelten. In allem andern brauchte sie keine Hilfe. Nur in diesem einen. Weil ja auch Sultan Mustafa Solimans Sohn war.
Aber es könne nicht wahr sein, dachte sie.
Zehn Jahre habe Ibrahim den Vertrag gehalten, und die Aga, die Paschas, die Ulema und die Janitscharen und das Volk - sie alle seien daran gewöhnt gewesen, in ihrem ältesten Sohn den Thronerben zu sehen. Was denn anders geworden sei, fragte sich Roxelane, daß Ibrahim jetzt den Prinzen Mustafa begünstigen solle, der Saffieje Sohn?
Und dabei übersah sie, daß gerade die Erfolgreichen, die Selbstherrlichen sich durchaus nicht immer vom eigenen Vorteil leiten lassen, sondern weit öfter von schattenhaften Gefühlen und vor allem von ihrer Eitelkeit, die sich allein schon von dem Gedanken verletzt fühlt, der eigenen Sicherheit wegen auf andere Rücksicht nehmen zu müssen.
Roxelane beging den Denkfehler und berechnete Ibrahims Vorteile. Wenn er sich auch vor Esma nicht fürchte, meinte sie und sich vor der ihm hörigen Frau wohl auch nicht zu fürchten brauche, so habe er doch allen Grund, sich nicht ihre, Roxelanes, Gegnerschaft zuzuziehen.
„Ich kann es nicht glauben“, sagte sie.
„Hören Sie doch!“ stöhnte Nino. „Prinz Mustafa wird vom Kaiser in öffentlicher Audienz empfangen und zum Statthalter in Magnesia ernannt werden . . .“
Es war heraus!
Mustafa sollte also Magnesia bekommen, Solimans eigene Provinz, bevor er den Thron bestiegen hatte. Magnesia lag nur einige Tagereisen von Konstantinopel, und je näher es ein Prinz beim Tode seines Vaters zur Hauptstadt hatte, um so näher war er dem Thron. „Lieber Gott, lieber Gott, laß es nicht wahr sein!“ betete Roxelane und erstickte ihr Schluchzen an Ninos Brust.
„Nicht weinen“, sagte die junge Frau ängstlich; denn sie hatte bei Roxelane noch niemals Tränen gesehen. „Bitte nicht weinen!“ Und dann tröstete sie: „Der Kaiser ist ja noch jung. Er wird noch lange nicht sterben! Und viel kann geschehen . . .“
Sie streichelte die Herrin, und es war gut, daß der auszischende Dampf jeden andern Laut übertönte.
Roxelane schluchzte über Soliman.
Nicht die kleinste Andeutung hatte er ihr gemacht und mußte doch wissen, welchen Schlag er für sie vorbereitete. Denn an seine Geschichte von Orkhan und Alaeddin und von der Eintracht eines Osmanenkaisers mit seinen Brüdern glaubte sie nicht mehr nach dem, was Soliman selbst vor zehn Jahren an seinen Verwandten auf Rhodos begangen hatte. Es war schon genug, wenn sie den Brudermord unter ihren eigenen Söhnen verhinderte. Das allerdings traute sie sich zu. Daß einer ihrer Söhne sich jemals ihrem entschieden ausgesprochenen Willen widersetzen würde, glaubte sie nicht. Deswegen aber mußte sie leben und Soliman überleben. Nur ihr Sohn durfte Kaiser, nur sie die künftige Kaisermutter sein.
Weinen hatte keinen Zweck. Sie mußte handeln.
Sie hob ihr Gesicht.
„Woher weißt du es?“
„Von Iskender Tschelebi.“
„So, von deinem Mann?“ argwöhnte Roxelane. „Ich wußte nicht, daß der Defterdar mit Ibrahim Pascha so vertraut ist.“
„Nicht der Großwesir sprach ihm davon, sondern der Gritti. Als Iskender in Buda war, trank er mit Gritti, und der riet ihm ..
Nino hielt inne.
„Was?“ fragte Roxelane, und das war ein Befehl.
„. . . Gritti riet meinem Mann, rechtzeitig Anschluß an den Prinzen Mustafa zu suchen und nicht die Fühlung mit Ibrahim zu verlieren.“
„Also der
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