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Rubinrot

Rubinrot

Titel: Rubinrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Uhr am Ende des Gangs zu werfen. James folgte mir.
    »Ich war nur zwanzig Minuten weg«, sagte ich.
    »Wo denn?«
    »Ach, James! Ich glaube, ich war bei dir zu Hause. Wirklich sehr hübsch alles. Viel Gold. Und das Kerzenlicht - sehr gemütlich.«
    »Ja. Nicht so trist und geschmacklos wie das hier«, sagte James und machte eine Handbewegung, die den überwiegend grauen Korridor umfasste. Er tat mir plötzlich sehr leid. Er war doch gar nicht so viel älter als ich - und schon tot.
    »James, hast du eigentlich schon mal ein Mädchen geküsst?«
    »Wie bitte?«
    »Ob du schon mal geküsst hast?«
    »Es gehört sich nicht, so zu reden, Miss Gwendolyn.«
    »Also hast du noch nie geküsst?«
    »Ich bin ein Mann«, sagte James.
    »Was ist denn das für eine Antwort?« Ich musste lachen, weil James so eine empörte Miene aufgesetzt hatte. »Weißt du eigentlich, wann du geboren bist?«
    »Willst du mich beleidigen? Selbstverständlich kenne ich meinen eigenen Geburtstag. Es ist der einunddreißigste März.«
    »Welches Jahr?«
    »1762.« James streckte herausfordernd sein Kinn vor. »Vor drei Wochen wurde ich einundzwanzig. Ich feierte ausgiebig mit meinen Freunden im White-Club und mein Vater bezahlte zur Feier des Tages all meine Spielschulden und schenkte mir eine wunderschöne Fuchsstute. Und dann musste ich dieses dumme Fieber bekommen und mich niederlegen. Nur um beim Aufwachen alles verändert vorzufinden und eine freche Göre, die sagt, ich sei ein Geist.«
    »Tut mir leid«, sagte ich. »Wahrscheinlich bist du an dem Fieber gestorben.«
    »Unsinn! Es war nur ein leichtes Unwohlsein«, sagte James, aber sein Blick flackerte verunsichert. »Doktor Barrow hat gemeint, es sei wenig wahrscheinlich, dass ich mich bei Lord Stanhope mit den Blattern angesteckt hätte.«
    »Hm«, machte ich. Ich würde die Blattern mal googeln.
    »Hm.
Was soll das heißen,
hm?«
James guckte böse.
    »Oh, da bist du ja!« Leslie kam aus der Mädchentoilette gerannt und fiel mir um den Hals. »Ich bin tausend Tode gestorben.«
    »Mir ist nichts passiert. Ich bin zwar bei der Rückkehr in Mrs Counters Klasse gelandet, aber da war niemand.«
    »Die Sechste besucht heute die Sternwarte von Greenwich«, sagte Leslie. »Oh Gott, bin ich froh, dich zu sehen! Ich habe Mr Whitman gesagt, du bist in der Mädchentoilette und kotzt dir die Seele aus dem Leib. Er hat mich zu dir zurückgeschickt, damit ich dir die Haare aus dem Gesicht halte.«
    »Widerlich«, sagte James, sich mit seinem Taschentuch die Nase zuhaltend. »Sag der Sommersprossigen, über solche Dinge redet eine Dame nicht.«
    Ich beachtete ihn nicht weiter. »Leslie, etwas Komisches ist da passiert. . . Etwas, das ich nicht erklären kann.«
    »Das glaube ich dir sofort.« Leslie hielt mir mein Handy unter die Nase. »Hier. Ich hab's aus deinem Spind geholt. Du rufst jetzt auf der Stelle deine Mutter an.«
    »Leslie, sie ist auf der Arbeit. Da kann ich nicht. . .«
    »Ruf sie an! Du bist jetzt dreimal in der Zeit gesprungen und ich habe es beim letzten Mal mit eigenen Augen gesehen. Auf einmal warst du einfach weg! Das war so was von
krass!
Du musst das deiner Mum sofort erzählen, damit dir nichts passieren kann. Bitte.« Hatte Leslie da etwa Tränen in den Augen?
    »Die Sommersprossige hat heute wohl ihren dramatischen Tag«, sagte James. Ich nahm das Handy und holte tief Luft. »Bitte«, sagte Leslie.
    Meine Mutter arbeitete als Verwaltungsangestellte im Bartholemew's Hospital. Ich tippte ihre Durchwahl ein und sah Leslie dabei an.
    Sie nickte und versuchte ein Lächeln.
    »Gwendolyn?« Mum hatte offensichtlich meine Handynummer auf ihrem Display erkannt. Ihre Stimme klang besorgt. Es war noch nie vorgekommen, dass ich sie von der Schule aus angerufen hatte. »Stimmt etwas nicht?«
    »Mum . . . mir geht es nicht gut.«
    »Bist du krank?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Vielleicht bekommst du diese Grippe, die im Moment alle haben. Ich sag dir was, du wirst nach Hause gehen und dich ins Bett legen, und ich sehe zu, dass ich heute früher gehen kann. Dann presse ich dir Orangensaft und mache dir warme Wickel für den Hals.«
    »Mum, es ist nicht die Grippe. Es ist schlimmer. Ich . . .«
    »Vielleicht sind es die Blattern«, schlug James vor.
    Leslie sah mich aufmunternd an. »Los!«, zischte sie. »Sag's ihr.«
    »Liebling?«
    Ich holte tief Luft. »Mum, ich glaube, ich bin wie Charlotte. Ich war gerade . . . keine Ahnung, wann. Und heute Nacht auch . . . eigentlich hat es gestern schon

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