Rubinroter Schatten - Frost, J: Rubinroter Schatten - Eternal Kiss of Darkness (Night Huntress World/ Cat & Bones Welt 2)
Beweise und keine Mutmaßungen verlangen, wie überzeugend sie auch sein mögen.«
Und die Zeit, die sie brauchen würden, um diese Beweise zu erbringen, würde Radje nutzen, um Mencheres immer neue Fallen zu stellen und weitere Unschuldige zu ermorden. Kira biss die Zähne zusammen. Sie hatte schon einmal dabei geholfen, einem korrupten Bullen das Handwerk zu legen. Vielleicht konnte sie das jetzt auch.
» Ich weiß, wie man Radje auffliegen lassen kann«, sagte sie. Drei Augenpaare richteten sich auf sie. » Aber erst habe ich noch etwas in Chicago zu erledigen.«
29
Kira fuhr mit der Green Line durch Chicago, als wäre es das erste Mal. Die Strecke durch den Loop war ihr so vertraut, aber jetzt kam ihr alles anders vor. Die Vielzahl der Gerüche war überwältigend, penetranter noch als das Rumpeln der Waggons auf den Schienen. Neben den herberen Aromen von Alkohol, Urin, Körperausdünstungen, Parfüm und schlechtem Atem hingen auch Emotionen in der Luft.
Spuren von Blut konnte sie natürlich auch riechen, entweder an der Bahn selbst oder an den Fahrgästen, die unterwegs ein- und ausstiegen. Sie hatte gerade erst eine Blutmahlzeit hinter sich, sodass der Geruch weniger ihren Hunger als ihre Aufmerksamkeit weckte. Blut zu trinken war inzwischen zu einer Selbstverständlichkeit geworden, auf die sie nicht weniger angewiesen war als früher aufs Atmen. Kira konnte kaum glauben, wie wenig Zeit seit ihrem ersten Erwachen als Vampirin vergangen war. Es schien ihr viel länger zurückzuliegen, wie auch ihr erstes Treffen mit Mencheres. Kalender und Uhren boten für manche Dinge eben einfach keine richtigen Anhaltspunkte.
Eine Stimme kündigte die Clinton Street als nächste Haltestelle an. Kira nahm ihre Handtasche und stand auf, ohne Sitze und Griffstangen zu benötigen, um die Balance zu halten. Als der Zug ganz zum Stillstand gekommen war, stieg sie aus und machte sich durch die vertrauten Straßen auf den Weg zu Tinas Wohnung.
So oft schon war sie nach Einbruch der Dunkelheit in diesem Teil des West Loops unterwegs gewesen, all ihre Aufmerksamkeit auf finstere Seitengassen gerichtet, die sich links und rechts öffneten, oder auf dunkle Wegabschnitte, in die das Licht der Straßenlaternen nicht vordringen konnte. Oder das Geräusch von Schritten dicht hinter ihr. Nun war ihr Blick geradeaus gerichtet, ihr Gang forsch und energisch. Dunkle Wegabschnitte, Waffen, Seitengassen, Herumtreiber, sie konnten ihr nichts mehr anhaben. Wer in diesen Straßen unterwegs war, hatte ein schlagendes Herz und musste sich daher vor ihr in Acht nehmen, falls er Böses im Schilde führte.
Sie erreichte Tinas Apartmenthaus nur ein bisschen schneller als üblich. Immerhin konnte sie es sich nicht leisten, ungewollte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, indem sie mit Vampirgeschwindigkeit die Straßen entlangflitzte. Sie schloss die Eingangstür auf und benutzte statt des Aufzugs die Treppe, um Tinas Nachbarn auszuweichen, die sie vielleicht erkannt hätten, wenn sie ihr im Aufzug begegnet wären. Kira wusste, dass ihr Name in den vergangenen Tagen in den Medien genannt worden war. Als sie das letzte Mal versucht hatte, bei Tina anzurufen, hatte ihre Schwester ohne ein Wort aufgelegt. Kira glaubte nicht, dass Tina sauer auf sie war. Vermutlich wurde ihre Telefonleitung überwacht, was dann wohl auch auf ihre Handyverbindungen zutraf. Bei ihrem Bruder versuchte Kira es gar nicht erst; der hatte fast nie eine gültige Telefonnummer.
Das Treppenhaus war menschenleer, sodass Kira sich in dem Tempo bewegen konnte, das ihr inzwischen eher entsprach. Binnen Minuten war sie im vierzehnten Stock angelangt und strich sich reflexartig das Haar hinters Ohr, bevor sie den Flur betrat. Als sie dann vor Tinas Wohnungstür stand, stutzte sie.
Drinnen schlugen zwei Herzen, nicht eines. Kira schnupperte an der Tür, was ihr allerdings auch nicht weiterhalf. Sie war Tina zuletzt vor ihrer Verwandlung begegnet, vermutete aber, dass der schwerere Zitrusgeruch, der durch die Tür drang, zu Tina gehören musste. Wer war bei ihr? Und würde der unbekannte Besucher ein Problem darstellen?
Unverrichteter Dinge wieder abzuziehen, konnte sie sich nicht leisten. Sie hatte zu viel riskiert, um herzukommen. Kira klopfte, strich sich noch einmal das Haar zur Seite und wartete. Erst hörte sie Schritte, einen Herzschlag direkt hinter der Tür und schließlich ein Keuchen, bevor die Tür aufging.
Tina stand darin, blond und zierlich wie immer, allerdings mit
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