Rubinroter Schatten - Frost, J: Rubinroter Schatten - Eternal Kiss of Darkness (Night Huntress World/ Cat & Bones Welt 2)
sich in diesem Augenblick die Kanüle ins Handgelenk schob und gemächlich die Spritze aufzog. Rote Flüssigkeit ergoss sich in den Zylinder, bis er voll war.
Sie warf einen Blick zum Stationstresen hinter sich. Niemand sah in ihre Richtung. Kira richtete den Blick wieder auf Mencheres und stellte fest, dass er sie anstarrte. Er hatte die Kanüle in den Infusionsschlauch eingeführt. Sie sah nicht weg, als er den Kolben nach unten drückte und sein Blut auf dem Weg in Tinas Körper den Schlauch an ihrer Hand rot färbte.
Kira hielt den Atem an, bis die Spritze leer und aus dem Infusionsschlauch entfernt war. Mencheres setzte die Verschlusskappe auf und ließ die Spritze in seiner Manteltasche verschwinden. Das einzige Indiz für einen ungewöhnlichen Vorfall war die rosa Flüssigkeit am Ende des Infusionsschlauchs, wo der Katheter mit Klebeband an Tinas Hand befestigt war.
» Bleib hier«, wies Mencheres sie an, bevor er das Zimmer verließ.
Kira fragte ihn nicht, wo er hinwollte. Sie setzte sich ans Bett ihrer Schwester und streichelte Tinas bleichen, reglosen Arm. Wie lange würde es dauern, bis Mencheres’ Blut den Schaden behoben hatte, den ihr die Krankheit so mitleidlos zugefügt hatte? Er hatte Tina nur eine einzige Spritze gegeben. Vielleicht war das fürs Erste alles, und er würde ihr erst in den nächsten Tagen noch ein paar Spritzen verabreichen. Vielleicht konnte er im Augenblick nicht mehr Blut entbehren. Das war es; er suchte einen ahnungslosen Blutspender …
Tina gab einen erstickten Laut von sich. Kira erstarrte, als sie sah, wie ihre Schwester die Augen öffnete. Tina blinzelte mehrmals, bevor sie ein zweites Keuchen ausstieß und den Kopf drehte. Ihre meergrünen Augen sahen Kira fragend, aber nicht verwirrt an. Tina war bei Bewusstsein– bei klarem Bewusstsein. Dann hob sich der schlaffe Arm, den Kira gestreichelt hatte, die Hand ihrer Schwester griff nach dem Schlauch in ihrem Mund und zog daran.
Das war alles, was Kira sah, bevor ihr das Bild vor Augen verschwamm und sie ein einziges Wort krächzte.
» Krankenschwester!«
Mencheres sah zu, wie Kira ihrer Schwester Lebewohl sagte. Ihr Gesicht war noch vor Freude gerötet, als sie sich niederbeugte, um Tinas Wange zu küssen.
» Ich versuche, bald wiederzukommen«, murmelte sie. » Hab dich lieb, Tiny-T.«
» Ich dich auch, Schwesterherz«, antwortete Tina mit leiser, aber nicht kratziger Stimme, wie es eigentlich normal gewesen wäre, nachdem der Beatmungsschlauch entfernt worden war.
» Es ist geradezu ein Wunder, wie schnell die neuen Antibiotika bei ihr angeschlagen haben«, schwärmte die Krankenschwester Kira vor, während sie sie aus dem Zimmer führte.
» O ja. Ein Wunder«, echote Kira, sah beim Sprechen aber Mencheres an.
Der schenkte ihr ein müdes Lächeln. Die Heilkraft von Vampirblut– insbesondere das eines so alten und mächtigen Vampirs wie ihm– musste auf die Pflegerin, die es nicht besser wusste, in der Tat wie ein Wunder wirken. Kira allerdings kannte die Wahrheit. Als sie nahe genug bei Mencheres war, ergriff sie seine Hand und führte sie an die Lippen.
» Danke«, hauchte sie und küsste sie.
Eine so einfache Geste. Unzählige andere– Menschen, Vampire, Ghule– hatten ihm über die Jahrtausende hinweg auf gleiche Weise Respekt gezollt, und doch traf es ihn wie ein Donnerschlag. Viel zu schnell waren das Streicheln ihrer Lippen und der sanfte Druck ihrer Hand vergangen, und ohne ihre Berührung war ihm kälter.
Bei den Göttern, diese Sterbliche war wirklich eine Gefahr für ihn.
» Wir müssen jetzt gehen«, sagte er, erleichtert, dass seine Stimme den Gefühlsaufruhr in seinem Innern nicht verriet.
Kira sah noch einmal zum Zimmer ihrer Schwester und nickte, die Freude wich ein wenig aus ihrem Gesicht.
» Ich bin bereit.«
Während der Aufzug sie ins Erdgeschoss trug, blieb Mencheres stumm. Genau wie Kira. Als sie eine finstere Ecke des Parkplatzes erreicht hatten, breitete er die Arme aus, und sie trat hinein; ihre Wärme umhüllte ihn, als er mit ihr himmelwärts schoss. Binnen Sekunden befanden sie sich bereits hoch über dem Krankenhaus, dann auch über allen anderen Gebäuden, eingehüllt in seinen schwarzen Mantel, unsichtbar in der Finsternis. Kiras Herz wummerte an Mencheres’ Brust, ihr Körper war so dicht an seinen gepresst, dass er an so gut wie nichts anderes denken konnte. Der tosende Wind trug ihren Zitrusduft fort, aber er wusste, dass er ihn später an sich würde wahrnehmen
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