Ruby Redfort: Gefährlicher als Gold (German Edition)
würde. Und dieses Gefühl bestätigte sich, als ihr niemand anderer als Groete, das Stumme E, die Tür öffnete.
»Sieh an, sieh an, das Wunderkind.« Er tippte auf seine Uhr. »Du kommst zu spät.«
Rubys Lächeln verblasste. »Sie mich auch! Wo ist Agent Blacker?«
»Kommt eventuell später noch, aber im Moment bin ich der Babysitter vom Dienst.«
Ruby bedachte ihn mit ihrem eigens für Blödmänner einstudierten mitleidigen Blick. »Und wo ist das Baby? Jetzt sagen Sie bloß nicht, Sie haben es schon verlegt!«
Groete richtete seinen Zeigefinger auf sie. »Du hältst dich für was Besonderes, stimmt’s?«, zischte er. »Dann will ich dir mal was sagen, du Zwerg. Im Moment habe ich hier das Sagen, und du hast zu spuren, capito? Ich hatte gestern schon genug Ärger, weil du allein nach Hause geradelt bist. Ab jetzt behalte ich dich im Auge, glaub mir, und mir machst du so schnell nichts mehr vor.«
»Du meine Güte«, murmelte Ruby.
An diesem Morgen wurde kein Donut mit Geleefüllung auf ihren Schreibtisch gelegt, und nützliche Informationen würde es auch nicht geben, ganz zu schweigen von ein paar netten Worten, mit denen einem die Arbeit schneller von der Hand ging.
Ruby schlug Lopez’ Ordner auf und machte da weiter, wo sie am Vortag aufgehört hatte.
Sie sah, auf welche Weise Lopez alles aneinandergefügt hatte, Stück für Stück. Sie hatte die entschlüsselten Nachrichten chronologisch geordnet, so dass sie eine Art Konversation ergaben. Sobald man den Überblick hatte, war das große Ganze leicht zu sehen. Nur ein einzelnes Puzzlestück zu kennen, nützte gar nichts – für sich allein ergab es keinen Sinn. Irgendwann fiel Ruby auf, dass der geplante Überfall raffinierter war, als man auf den ersten Blick meinen könnte: Lopez hatte erkannt, dass nur der Kopf des Ganzen, der eigentliche Drahtzieher, den Gesamtplan kannte. Alle anderen Mitglieder der Verbrecherbande besaßen lediglich ihr Puzzlestück, und das war schon alles.
Clever, dachte Ruby, ganz schön clever. Von diesem Drahtzieher kann man echt was lernen in Sachen Geheimhaltung …
Da kam Groete hereingeschlendert. »Hier, ein Sandwich, falls du Hunger hast – hoffe, du magst Fischpaste –, ich nicht, deshalb war ich so frei und nahm das mit dem Ei. Hey, das reimt sich sogar!«
Mann o Mann, dachte Ruby. Für eine Kinderstube war bei euch daheim wohl kein Platz!
Ruby schnüffelte an dem Fischsandwich, bevor sie zaghaft hineinbiss. Okay, es war nicht gerade der Hit, aber sie hatte schon schlechter gegessen.
Als sie sich beinahe schon bis zum Ende des letzten Ordners durchgearbeitet hatte, entdeckte sie eine weitere Anzeige, die dechiffriert folgendermaßen lautete:
Übergabe Brunnen – werde gegen 18 h dort sein.
Das war’s, das war alles.
Ruby hatte sämtliche Unterlagen durchgearbeitet – und was wusste sie jetzt? Nicht so viel wie Lopez, das stand fest.
Sie hätte das alles gern mit jemandem besprochen, um es aus einem anderen Blickwinkel zu sehen – doch mit dem doofen Groete wäre jeder Versuch zwecklos.
Sie blickte sich in dem schäbigen Büro um. Sie hörte ihn telefonieren – er quatschte ohne Punkt und Komma, und Ruby begann sich zu fragen, wie Lopez es hier aushalten konnte. Tagein, tagaus hier an diesem Schreibtisch sitzen und an Dingen herumknobeln, die am Ende ins Nichts führen konnten – was für ein Leben war das? Bestimmt ein sehr einsames …
Da fiel ihr Blick auf ihr Spiegelbild im Glas der Tür zum Nachbarraum – und sie sah den Spruch auf ihrem T-Shirt: HILFE NAHT! Sie riss ein Stück vom Klebeband von der Rolle und klebte es über NAHT!, so dass auf dem T-Shirt nur noch HILFE stand.
Und dann, wie durch ein Wunder, marschierte Blacker zur Tür herein.
Er beäugte sie. »Hast du dich im Klebeband verheddert oder sendest du eine Art SOS-Ruf?«
Ruby rang sich ein gequältes Lächeln ab. »Na ja, sagen wir so: Ihr rechtzeitiges Auftauchen hat vermutlich ein Gewaltverbrechen verhindert.«
Er zeigte auf das kleine Büro, in dem Groete arbeitete.
»Ihr zwei versteht euch nicht sonderlich gut, hm?«
»O doch, Kröte und ich verstehen uns bestens, ungefähr wie Hund und Katz. Könnte nicht besser sein.«
»Hm, na ja, er ist etwas gewöhnungsbedürftig, ich weiß.« Blacker reichte ihr einen Donut. »Wie sieht’s aus? Hast du den Fall geknackt?«
»Sehr witzig! Ich kam genau bis zum Brunnen. Habt ihr herausgekriegt, welcher Brunnen gemeint ist?«
»Leider nicht, es muss an die hundert Brunnen
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