Ruby Redfort: Gefährlicher als Gold (German Edition)
Schritt. Der Kanaldeckel war noch da, doch Ruby konnte ziehen und zerren, so lange sie wollte, der Deckel ließ sich keinen Millimeter bewegen.
Was nun?
Sie radelte runter zur Twinford Bridge, kletterte über das Geländer und stellte sich auf die obersten Eisenstützen. Behutsam kletterte sie dann tiefer, bis auf halbe Höhe der Brücke, doch die verrostete Tür war nicht mehr da, und man konnte auch nicht sehen, wo sie gewesen war. Ruby radelte in die Stadt zurück, bis zur Maverick Street, sprang vom Rad und ging auf die schäbige braune Tür neben dem Münzwaschsalon zu. Der Türsummer war noch da, doch das kleine Tastenfeld war verschwunden, und Ruby konnte drücken und klopfen, so lange sie wollte – niemand öffnete ihr, und es sah ganz so aus, als sei keiner da.
Tja, Ruby hatte alles versucht. Na schön, dann gehen wir eben wieder zur Party, Floh.
Als sie gerade das vordere Tor zum Anwesen der Redforts öffnen wollte, hörte sie plötzlich eine Männerstimme sagen: »Wo kommst du her, Kleine?«
Ruby wirbelte herum und sah Groete vor sich.
»Was geht Sie das an, Mann?«
»Muss leider wieder den Babysitter spielen. Spektrum will, dass ich auf dich aufpasse, damit du nicht noch mehr Ärger machst.« Dazu grinste er blasiert.
»Was?! Das hat mir gerade noch gefehlt! Ein Hirni, der mir an den Fersen klebt!«
»Glaub mir: Ich bin bestimmt nicht freiwillig hier – keine Ahnung, womit ich das verdient habe …«
»Vielleicht liegt’s an Ihrem Anzug?« Ruby grinste ihn frech an.
Groete biss die Zähne zusammen. »Ich behalte das hintere Gartentor von nun an im Auge, Kleine – das nächste Mal kommst du nicht so leicht aus dem Haus. Oh, und komm ja nicht auf die Idee, noch mal mit deinem kleinen Freund in fremde Hotelzimmer einzubrechen, du Möchtegern-Schnüffler-Zwergin!« Sichtlich zufrieden über seine Wortschöpfung grinste er sein freudloses Grinsen.
Als alle Partygäste gegangen waren und wieder Ruhe im Haus herrschte, tapste Ruby auf den Zehenspitzen in die Küche und setzte sich vor den Toaster. Nach einer Weile steckte sie eine Brotscheibe hinein, doch als sie wieder heraussprang, stand keine Geheimbotschaft darauf – es war nur eine langweilige Toastbrotscheibe.
Oben in ihrem Zimmer hörte sie ihren Privat-AB ab, in der vagen Hoffnung, dass Hitch vielleicht angerufen hatte, doch die einzige Nachricht war von Red, die gestand, sie hätte einen »kleinen Unfall« mit Rubys Geige gehabt, aber das sei »absolut reparierbar, obwohl man vielleicht einiges an Klebstoff braucht«.
Ruby ließ sich auf den Sitzsack plumpsen. Klar, ihr Zimmer war wieder möbliert, aber nicht mit ihren Sachen, und das fühlte sich nicht okay an. Im Moment fühlte sich für Ruby gar nichts okay an. Das Leben ohne Mrs Digby fühlte sich auch nicht okay an, und Ruby hatte das grässliche Gefühl, dass es der Anfang vom Ende war. Aber vorläufig würde Ruby Redfort tun, was Hitch ihr aufgetragen hatte, und geduldig abwarten – was blieb ihr schon anderes übrig?
Der nächste Tag verging, ohne dass der Butler der Redforts sich blicken oder von sich hören ließ.
Als Ruby ihre Eltern fragte, ob sie etwas von ihm wüssten, antworteten sie nur: »Er hat uns ein Telegramm geschickt. Er hat geschrieben, er hätte noch ein paar persönliche Angelegenheiten zu regeln, sei aber rechtzeitig zur Museumsparty zurück und würde erst danach seine neue Stelle antreten.«
»Das war alles?«, fragte Ruby.
»Ach, Ruby, wir vermissen ihn doch auch«, sagte ihr Vater. »Er hat ein beachtliches Organisationstalent.«
»Stimmt«, pflichtete ihm Sabina bei. »Er vergisst nie etwas!«
»Bananenmilch«, sagte Ruby.
»Was?«, fragte ich Vater irritiert.
»Bananenmilch! Er hat vergessen, neue Bananenmilch zu bestellen.«
»Na ja, dann hoffen wir, dass der nächste Butler doppelt so gut ist, hm, Schatz?«
»Ich wäre schon froh, wenn er nur halb so gut aussieht«, sagte Rubys Mutter mit einem albernen Lachen.
Aber Ruby hörte nicht mehr zu. Ihr wäre es viel lieber gewesen, jemand anderer käme endlich zurück.
Mrs Digby würde nie die Bananenmilch vergessen!
Mrs Digby, wo stecken Sie nur?
Mrs Digby war sich ganz sicher, dass sie etwas gehört hatte, ein Scharren auf der anderen Seite der Zwischenwand …
Ratten , dachte sie entsetzt.
Mrs Digby mochte keine Ratten.
Und mit Ratten allein zu sein, mochte sie noch weniger! Die Räuber, wer immer sie auch waren, hatten sie in dem Lagerhaus allein gelassen, aber immerhin hatten sie
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