Ruby und Niall
bereitete sich darauf vor, eine lange Geschichte zu erzählen, die er jedes Mal los wurde, wenn jemand nach seinem Namen fragte. Er begann damit, dass sein Name ganz fürchterlich sei, als die Tänzer zurückkamen und sich auf ihre Getränke stürzten. Ethan und Ruby tauschten die Plätze, weil Julianne mit ihr quatschte und sie kein Ende fanden.
"Es ist kein mexikanischer Name", sagte der Mexikaner, "den Spitznamen hab ich seit meiner Kindheit, weil wir jeden Sommer nach Mexiko in den Urlaub gefahren sind."
"Du hast ihm die Frage gestellt", rief Ethan, "und wieder einmal wird der Mexikaner seine Schauergeschichte los."
"Schauergeschichten kann Niall bestimmt auch erzählen", sagte Ruby.
Sie bestellten Runde um Runde die Getränke nach, lachten ohne Ende und erzählten haarsträubende Geschichten. Mittendrin murmelte der Mexikaner in Nialls Richtung: "Ich verrate niemandem gerne meinen Namen, weil er so lächerlich ist. Ich bin für alle der Mexikaner, weil ich im Sommer so herumlaufe, Sombrero, spitze Stiefel, Lederjeans und Patronengürtel. Wenn ich so in den Laden komme, schreien alle Viva Zapata. Meine Mutter wollte einen ausgefallenen Namen für ihren zerknautschten Sohn und ich glaube, die hatte ordentlich einen durchgezogen, als sie Bücher nach einem Namen durchforstet hat. Und es waren keine Bücher wie Tausend Jungennamen und ihre Bedeutung."
"Sein Nachname ist Lovejoy", flüsterte Ethan von der anderen Seite.
"Opale", sagte der Mexikaner, "sie haben mich Opale genannt. Weil es so fremdländisch klang, wie aus einem alten französischen Film über Lebenskünstler, die den ganzen Tag Käse essen und Rotwein saufen. Du kannst dir vorstellen, was meine Schulkameraden aus diesem Namen gemacht haben."
"Ach du meine Güte", sagte Niall. Er war betrunken, aber er kicherte nicht darüber.
"Stehst du auf Eishockey?"
"Rugby", sagte Niall. Er steckte sich ein Stück Zitrone zwischen die Zähne.
"Collegesport?" Der Mexikaner schnaufte verächtlich.
"Nicht da, wo ich herkomme", sagte Niall.
Kurz vor zehn verabschiedete sich Mom, warf Kusshändchen in die Runde und bezahlte die Hälfte von Rubys Zeche.
"War mir ein Vergnügen", sagte sie. Ruby blieb die ganze Zeit beim Tequila und hielt sich ganz gut, nur ihr Blick wurde etwas glasig. Durch den Lärm in der Bar und die Musik hindurch klingelte ihr Handy.
"Mom ist auf dem Weg nach Hause", rief sie, sah auf das Display und verstummte. Mit dem Handy am Ohr stand sie vom Tisch auf und ging raus vor die Tür. Ethan drehte sich zu ihr herum und sah ihr nach. In seinem Gesicht zeigte sich ein leicht beunruhigter Ausdruck.
"Was ist?", fragte Cotton.
"Blöde Familiengeschichte", sagte Ethan. Niall kippte den nächsten Tequila und beschränkte sich aufs Beobachten und Zuhören. Er wusste, dass er mit zunehmendem Alkohol im Blut noch mehr in den verräterischen Akzent seiner Heimat verfallen würde.
Die Jungs wechselten immer wieder die Themen, blieben aber meist bei Frauen und ihrem Lieblingssport hängen. Ruby kam zurück, griff nach ihrem Glas und fragte nach einer Zigarette, mit der sie wieder nach draußen verschwand. Der Abend endete früh am Morgen, als nur noch Ethan, Ruby und Niall übrig waren und sie deshalb an die Theke wechselten. Nialls Krücke lag quer über dem Tresen, jemand hatte "
IRISH BSTRD
" auf seinen Gips geschrieben, aber davon hatte er nichts mitbekommen. Sie erwischten Ruby beim heftigen Knutschen mit dem Barkeeper. Sie saß auf der Theke, der Barkeeper stand vor ihr und sie wühlte in seinem Haar herum. Niall starrte sie die ganze Zeit mit großen Augen an.
Als die beiden sich endlich voneinander trennten, weigerte Ruby sich, den Heimweg anzutreten, obwohl sie so viel getankt hatte, dass sie nicht mehr stehen konnte.
"Ich bring sie nach Hause", sagte Ethan, bezahlte die Zeche und zwang Ruby dazu ihren Mantel anzuziehen.
"Ich will deine Mütze", sagte sie und er zog sie ihr über den Kopf. Niall hätte gerne irgendwie geholfen, aber er hatte genug Probleme mit der Krücke auf dem vereisten Boden. Weil der Mexikaner mit dem Pick-up weg war, mussten sie zu Fuß gehen. Sie nahmen Ruby in die Mitte.
"Es ist nicht weit", sagte Ethan, "kommst du mit oder gehst du zur WG zurück?"
"Ich komme mit."
"Du wohnst in der WG?" Rubys Stimme war undeutlich, weil sie die ganze Zeit auf ihre Füße starrte.
"Nur vorübergehend. Schätze, dass ich bald aus der Gegend verschwinde."
"Wo willst du hin?"
"Boston", sagte Niall.
Oh Gott
, dachte Ruby, und dann kam ihr der
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