Ruby und Niall
wütend auf mich?"
Oh je
, dachte Niall,
jetzt geht's los. Und ich hab das Ganze auch noch losgetreten. Sie wäre niemals auf die Idee gekommen, nach Boston zu fahren, wenn ich nicht gewesen wäre. Sie werden sich gegenseitig die Augen ausstechen
.
Ruby hackte konzentriert mit dem Messer auf die Tomaten ein und antwortete nicht. Niall hatte sie während der ganzen Zeit in Winslow niemals so sprachlos erlebt. Sie war immer diejenige gewesen, die versuchte, das letzte Wort zu haben.
Helen zog ihr das Tablett mit den Tomaten unter den Fingern weg und schlug klatschend auf den Tisch. Ruby starrte sie an, aber noch immer sagte sie keinen Ton. Obwohl sie Niall nicht ansah, ahnte er, dass es an ihm lag. Sie hielt sich zurück, um sich ihm gegenüber nicht die Blöße zu geben oder weil sie irgendetwas nicht verraten wollte. Er hob seinen Hintern vom Stuhl und sagte vorsichtig: "Soll ich für einen Moment vor die Tür gehen?", aber Ruby schüttelte den Kopf. Das rote Haar fiel ihr über ein Auge und sie wischte es mit einer wütenden Bewegung wieder zurück.
"Weshalb bist du hier, Ruby? Selbst für einen deiner spontanen Einfälle ist Boston zu weit weg."
Die beiden sahen sich an, als würden sie sich jeden Moment an den Hals gehen. Niall fühlte sich genötigt, etwas zu sagen und fragte, ohne darüber nachzudenken: "Wer ist eigentlich Alfie?" In Rubys Gesicht zuckte es fast unmerklich und Helen atmete erst wieder aus, als Ruby erwiderte: "Ich bin nicht wütend auf dich. Ich kann es nur nicht ertragen, dass mir ständig unter die Nase gerieben wird, was irgendwann mal passiert ist."
Die Schwestern ignorierten Niall und seine Frage, aber die Erwähnung des Namens Alfie schien ihnen die Streitlust genommen zu haben.
Mit der flachen Hand, mit der sie eben noch auf den Tisch geschlagen hatte, berührte Helen jetzt den Arm ihrer Schwester. So vorsichtig, als sei es Körperkontakt in dieser Familie normalerweise nicht üblich.
"Ich weiß", sagte sie, "aber wenn du mir einmal die Chance geben würdest ..."
"Sag mir nicht schon wieder, was ich tun soll", flüsterte Ruby, aber sie zog ihren Arm nicht weg. "Du kannst alles besser, du hast alles im Griff in deinem Leben und ich sollte dir ewig dankbar sein. Das ist es, was ich Zuhause zu hören bekomme. Ich lebe mein eigenes Leben und selbst, wenn ich das total Scheiße finde, ist es noch immer mein Problem."
Der Topf mit Tomatensuppe, der auf dem Herd stand und zu brodeln begann, wurde von den Schwestern ignoriert, deshalb erhob Niall sich und rührte um, testete mit der Fingerspitze, ob die Suppe heiß genug war. Er leckte die Fingerspitze ab, es fehlten eindeutig Gewürze. Im Schrank fand er Gewürzstreuer und vier tiefe Teller, die er auf die Arbeitsfläche stellte und die Suppe einfüllte. Den vierten Teller ließ er noch leer, weil Alfie noch nicht da war. Er zupfte ein paar Blätter von der Petersilie, die auf dem Regal in einem bunt bemalten Töpfchen stand, und streute sie in die Suppe.
Dass Ruby und Helen verstummt waren, ließ ihn auf ein ruhiges gemeinsames Essen hoffen.
Er drehte sich mit den drei Tellern herum, balancierte sie Richtung Tisch und schaffte es, nichts zu verkleckern, obwohl er den Gipsfuß nur halb aufsetzte und übermäßig hinkte. Ohne ihn zu beachten, nahm Helen ihm zwei Teller ab.
"Ruby, was ist bisher dabei rausgekommen, wenn du versuchst, dein eigenes Leben zu leben? Wir kümmern uns um die Trümmer und Scherben, die du hinterlässt." Helens Stimme war wie ein leises Seufzen, als sie das sagte.
"Das ist der Unterschied zwischen uns beiden. Dass du deine Scherben lieber unter den Teppich kehrst, Helen."
Niall hätte gerne die Suppe probiert, aber er wagte sich nicht wieder an den Tisch zurück. Lieber kümmerte er sich um die restlichen Sandwiches, suchte vergeblich nach einem Toaster und legte die Weißbrotscheiben in die heiße Pfanne, bis sie kross geröstet waren, dann belegte er die Hälfte, bestrich den oberen Teil des Brotes mit der Mayonnaise, die er im Kühlschrank gefunden hatte.
Der Ton zwischen Ruby und Helen wurde wieder schärfer, aber nicht lauter. Das lag vermutlich an der Tatsache, dass sie in einem Trailerpark groß geworden waren, wo man so eng beieinander lebte, dass man sich nur leise streiten wollte, um nicht das Tagesgespräch von morgen zu werden. Sie waren gut konditioniert.
"Bist du hier, um einen Schlussstrich zu ziehen?"
Ruby griff sich einen der Löffel, die in der Mitte des Tisches lagen, und begann ihre Suppe zu
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