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Ruby und Niall

Ruby und Niall

Titel: Ruby und Niall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Recht
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zuckte zusammen, als in der Wohnung nebenan jemand laut aufschrie und etwas gegen die Wand flog. Es war unmöglich zu sagen, ob die Frau schreiend einen Stuhl geworfen hatte oder ob sie angegriffen worden war. Niall warf Helen einen alarmierten Blick zu, aber sie reagierte nicht.
Vielleicht passierte das mit schöner Regelmäßigkeit und sie hörte es schon nicht mehr.
"Ihr bleibt zum Essen, oder?", fragte Helen.
Niall zuckte wieder zusammen, als nebenan ein Mann etwas brüllte, und er musste sich darauf konzentrieren, ob Ruby jetzt bereits mit der Wahrheit herausrückte, dass sie sich vorgestellt hatte, bei ihrer Schwester für eine Weile einzuziehen.
Was soll's, dachte er, zur Not nehme ich sie einfach mit.
"Mach dir keine Mühe", sagte Ruby, "wir hatten ein gutes Frühstück und so lange waren wir ja auch nicht unterwegs."
"Das macht mir keine Mühe, ich muss sowieso kochen." Helen stellte ihre Kaffeetasse ab und stand auf.
"Gehen wir rüber in die Küche, damit wir weiter quatschen können."
Die Küche war sehr modern und großzügig geschnitten, ein sauberer großer Raum mit kleinem Balkon in den Innenhof, wo alles seinen Platz hatte. Niall hatte das Gefühl, dass selbst die Stühle an dem hellen Holztisch akkurat ausgerichtet waren.
Helen öffnete den Kühlschrank, stellte ein paar Tupperdosen auf die Ablage, klappte Schränke auf und unterhielt sich dabei mit ihrer Schwester, ohne sie dabei anzusehen.
"Weiß Mom, dass du hier bist?"
"Wenn sie mich mal angerufen hätte, ohne an mir rumzumeckern, hätte ich es ihr vielleicht erzählt."
"Seid ihr zufrieden mit Suppe und Sandwiches? Wenn ihr euch angekündigt hättet, hätte ich was einkaufen können."
Ruby setzte sich an den Küchentisch und starrte aus dem Fenster. Als sie keine Anstalten machte, auf die Aussage ihrer Schwester zu reagieren, sagte Niall: "Suppe und Sandwiches sind prima, vielen Dank."

Er war in der Tür stehen geblieben und lehnte sich gegen den Türrahmen; er hätte sich gerne mit an den Tisch gesetzt, aber er wollte schnell flüchten können, wenn es zu einem Streit kommen würde.
"Du warst schon immer sehr spontan, Ruby, deshalb nehme ich es dir nicht übel, dass du hier unangemeldet aufgetaucht bist."
Sie packte Reste von italienischer Dauerwurst, Käse und Tomaten aus, mit denen sie die Sandwiches belegen wollte.
"Wie geht's Alfie?", fragte Ruby.
"Er ist noch in der Schule, ich hoffe, er verpasst nicht wieder den Schulbus. Er ist nicht immer pünktlich zum Essen hier, manchmal muss ich ihn abholen oder eine der anderen Mütter setzt ihn hier ab. Es geht ihm gut, er wächst wie Unkraut und ist nicht der Schlechteste in der Schule." Helen warf Niall einen fragenden Blick zu, der darauf nicht reagierte. Endlich drehte Ruby sich vom Fenster weg, stand auf und half ihrer Schwester bei der Vorbereitung des Essens.
"Hast du mit Mom gesprochen?"
"Sie ruft mich ständig an. Dich nicht?", erwiderte Ruby.
"Nein, ich besuche sie etwas häufiger als du, deshalb muss sie mir nicht hinterhertelefonieren."
"Ich war verhindert an Thanksgiving. Und nach der letzten Katastrophe hatte ich auch keine Lust, die ganzen Gesichter wiederzusehen." Ruby war angenervt und das übertrug sich sofort auf ihre Schwester. Vermutlich steckten sie sich auch mit guter Laune gegenseitig an, aber im Moment war diese Alternative in weiter Ferne.
"Es war nur ein ganz normales Familienessen. Was hinterlässt du für einen Eindruck, wenn du zu einem solchen Fest nicht erscheinst?"
"Zumindest kann sich dann der anständige Teil der Familie die Mäuler zerreißen."
Nialls Bein begann zu stechen von der Steherei, er setzte sich an den Tisch und konzentrierte sich weiter darauf, bei einer Eskalation in den Flur zu flüchten. Er wollte sich keinesfalls zwischen die Fronten werfen; nicht in einem Raum mit scharfkantigen Haushaltsgegenständen in wütenden Händen.
"Mom würde sagen, dass der unehrenwerte Teil der Familie schon in den Sechzigern nach Kanada geflüchtet ist", sagte Helen. Es war der trockene Familienhumor, den Ruby auch für gewöhnlich an den Tag legte. "Aber es kann dich niemand zwingen, wenn du nicht willst, Ruby."
"Du weißt sehr genau, dass es mehr ist als nur ein Essen mit Leuten, mit denen du unglücklicherweise verwandt bist."

Helen legte das Messer beiseite, mit dem sie die Sandwiches bestrichen und die Beläge in kleine Stücke geschnitten hatte, verteilte Käse und Salami auf dem Brot und sagte, ohne ihre Schwester anzusehen: "Weshalb bist du noch immer

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