Ruby und Niall
von dem, was er sagte, es waren nur einzelne verständliche Worte dabei, es war weder spanisch noch französisch. Als er das Gespräch beendete und ihr das Handy zurückgab, tat sie so, als habe sie nicht gelauscht und als sei sie überhaupt nicht neugierig.
"Ich werde abgeholt", sagte Niall, "sie sind sauer, weil ich mich so lange nicht gemeldet habe."
"Wann?"
"In ein paar Stunden."
"Bist du deshalb so nervös?"
"Ich bin nicht nervös", sagte Niall.
Er nahm sich ein Stück Kuchen, den Ruby sich zum Kaffee bestellt hatte und wagte sie nicht anzusehen.
"Nur nicht", sagte Ruby, "du machst ein Gesicht, als würdest du vor einem Erschießungskommando stehen." Sie klang sarkastisch, obwohl sie Nialls Meinung nach dazu keinen Grund gehabt hätte.
Er hätte ihr von seinem üblen Telefonat erzählt, und dann gehofft, dass sie etwas von ihrem Geheimnis um Alfie preisgäbe, aber auf ihre Erschießungskommando-Bemerkung hielt er lieber den Mund.
Nialls Problem
Niall hatte erwartet, dass das Telefonat mit seinen Leuten schwierig werden würde, aber es war schlimmer gewesen. Er war nicht so dumm gewesen zu versuchen, den Boss persönlich zu erreichen, obwohl er seine Privatnummer hatte. Sein Onkel hatte sehr eisig reagiert und hatte nicht einmal wissen wollen, wo er gesteckt habe.
Sie ahnten alle, weshalb er verschwunden war, aber die meisten mochten kein Verständnis dafür haben.
Was kann ich schon anderes machen, als mich zu entschuldigen, wenn ich zurück bin
, dachte Niall,
und wenn sie wollen, dass ich wieder verschwinde, geh ich sowieso zurück nach Irland
.
"Was ist?", fragte Ruby plötzlich, schnipste mit zwei Fingern vor seiner Nase, "sitzen wir hier herum und warten, bis du abgeholt wirst?"
"Ich werde nicht hier abgeholt", sagte er, "ich muss in die Innenstadt. Lass uns losgehen und die Zeit totschlagen."
"Okay", sagte sie.
Er rechnete fast damit, dass sie in den Zoo wollte, obwohl es dazu zu kalt war, oder mit Kino, obwohl es dazu zu früh war, oder dass sie shoppen gehen wollte, obwohl sie kein Geld hatten.
Als sie langsam und vorsichtig Richtung Innenstadt zogen, kamen sie bereits nach einigen Straßenecken an einem Laden vorbei, in dem ein Showroom für unbekannte Maler und Designer eingerichtet worden war. Ruby blieb vor dem Schaufenster stehen, zog Niall am Ärmel heran und sagte: "Hey, in dem Mantel haben sie Teile von deinem Eisbärenfell verarbeitet."
Sie wollte unbedingt in den Laden und sich umsehen und Niall konnte dem nichts entgegensetzen.
"Sieh du dir die Bilder an", sagte sie, "ich werfe mich hemmungslos in die Designerklamotten." Und sie begann bei einem Gebilde, was auf einem Kleiderbügel hing, sich aber nicht hatte entscheiden können, ob es ein Kleid oder eine Mülltüte sein wollte.
Die Bilder, die Niall sich ansah, waren sehr großrahmig und erschlugen den Betrachter mit unglaublich bunten Ansichten von dicken Ärschen, tätowierten Blumen und einer Szene von spielenden Kindern auf dem Rand eines Wolkenkratzers, ein Bild, was Niall zutiefst beunruhigte.
Es sind nur Bilder
, dachte er,
nur Farbe auf Leinwand
.
Er hinkte mit seiner Krücke von Bild zu Bild, versuchte dabei, keine lauten pockenden Geräusche zu machen, umrundete dann ein Gebilde, was er für einen im Feuer geschmolzenen Campingstuhl hielt, aber ein Teil der Ausstellung war.
Seiner Familie war irgendwann einmal die Wohnung ausgebrannt und er stellte sich gerade vor, wie viel Geld er mit dem verbrannten Mobiliar hätte machen können, wenn so ein Showroom in der Nähe gewesen wäre. Er grinste in sich hinein, kehrte zu dem Kinder auf dem Wolkenkratzer-Bild zurück, um sich die Details anzusehen.
Ein Mann gesellte sich zu ihm, er hatte einen winzigen Hund in der Armbeuge sitzen, den Niall zunächst für einen Hamster hielt. Der Mann tänzelte von einem Bein auf das andere und als er Niall ansprach, und fragte, was er von diesem Gemälde halte, tat Niall so, als habe er ihn nicht verstanden. Der Mann versetzte ihn in Panik. Dass er Zuhause Literatur und Journalismus studiert hatte, hieß noch lange nicht, dass er Ahnung von amerikanischer moderner Kunst hatte; erst recht nicht, wie man mit diesen Vögeln umging. Es gab so viele grundlegende kulturelle Unterschiede, dass man sich trotz der gleichen Sprache, die man sprach, nicht problemlos verstand.
Alles, was Niall zu dem Bild hätte sagen können, hätte bewiesen, dass er von diesem ganzen Kram keine Ahnung hatte und er würde sich vorkommen wie der letzte Idiot. Deshalb
Weitere Kostenlose Bücher