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Ruby und Niall

Ruby und Niall

Titel: Ruby und Niall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Recht
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mit den Konsequenzen leben."
"Wenn sie dich abholen kommen", sagte Ruby ohne ihn anzusehen, "sehen wir uns dann wieder?"
"Ich melde mich bei dir."
"Du hast nicht einmal meine Nummer."

Niall stand auf, stöckelte zur Theke und kam mit einem Kugelschreiber zurück. Ruby schrieb ihm ihre Handynummer in sehr großen Zahlen auf den linken Unterarm und zog den Pulloverärmel wieder darüber.
"Zu Hause würden sie mir in die Knie schießen", sagte er, "aber hier, nein. Onkel Sean wird mir nur den Rest meines Lebens zur Hölle machen." Darüber grinste er breit, dass Ruby sofort fragte: "Was ist denn daran so komisch?"
Sie liebte dieses Grinsen, weil dabei seine Grübchen auftauchten.
"Ich weiß nicht. Ich muss nur gerade daran denken, wie ich mit seinem Wagen im Straßengraben gelandet bin, weil ich einem Schaf ausgewichen bin, das mitten auf der Straße stand."
"Und?"
"Er hat mir deswegen den Kopf abgerissen. Wenn er geahnt hätte, was ich ein paar Jahre später anstellen werde ..."
"Klingt, als hättest du dir dabei Mühe gegeben." Ruby drückte seine Finger etwas fester zusammen und hoffte, er würde endlich damit rausrücken. Es kam nichts. Und das ließ sie daran denken, dass sie ihm auch bei Weitem nicht die restlose Wahrheit über sich und ihre Schwester erzählt hatte.

Onkel Sean kam mit dem Ford Lieferwagen vorgefahren, den Niall sofort erkannte, hielt scharf am Straßenrand und hupte einmal.
"Ich muss gehen", sagte Niall, stand auf, drückte Ruby einen letzten Kuss auf den Mund. Sie versuchte ihn festzuhalten, aber er entzog sich, weil er fürchtete, er könnte sonst wieder die Biege machen und durch den Hinterausgang der Küche verschwinden.
"Ich melde mich bei dir, versprochen."
Mit Krücke und Tasche hastete er an den Straßenrand und blieb vor dem Lieferwagen stehen. Die einzige freundliche Geste seines Onkels bestand darin, über den Beifahrersitz zu greifen und die Tür für ihn aufschwingen zu lassen. Schweigend stieg Niall zu ihm in den Wagen, knallte die Tür ins Schloss und verstaute die Krücke im Fußraum.
"Anschnallen", sagte Sean. Er war zehn Jahre älter als Niall, sie stammten aus einer mit Kindern gesegneten Familie, deren Beziehungsgeflecht nicht immer ganz klar war; sie liebten und sie hassten sich, aber sie hielten zusammen.
Niall schnallte sich an und blieb stumm.

"Du bist ein solches dummes Arschloch", sagte Sean. Er lenkte den Wagen mit einer Hand, wühlte mit der freien Hand in seiner Jackentasche herum. So, wie Niall es erwartet hatte, trug er seine braune abgewetzte Cordjacke, und bei der man nie wusste, was er alles in den Taschen bei sich hatte.
"Tut mir leid", sagte Niall, aber er wurde sofort von Sean unterbrochen.
"Sendepause." Er fand endlich in der Tasche, wonach er gesucht hatte und flippte es Niall in den Schoß. "Wenn du geglaubt hast, dass sich die Aufregung nach deinem Verschwinden gelegt hat, hast du dich geschnitten. Da ging's erst richtig los. Hast du eine Ahnung, was ich alles unternommen habe? Das sind deine Papiere."
Niall wusste, was los war. Wenn alles schlecht lief, würden sie ihn in den nächsten Flieger nach Dublin setzen.
"Du wirst nicht noch einmal abtauchen. Wenn das noch einmal passiert, werde ich keinen Finger mehr rühren, um dich zu schützen. Egal, was deine Mutter davon hält. Ist das klar?"
Niall nickte. Sie hielten an der nächsten Ampel und Sean schlug ihm mit der flachen Hand auf das Bein mit dem Gips.
"Was hast du für einen Blödsinn mit deinem Bein angestellt?"
"Ein Laster hat mich angefahren", sagte er, "hab beim Rangieren nicht aufgepasst. Sean, ich weiß, wie es ausgesehen hat, als ich abgehauen bin, aber ich hab sie nicht sitzen gelassen. Ich konnte es ihr nicht erklären, was los war und sie hat ..."
"Sie hat einen Namen, Niall."

Der Lieferwagen quälte sich durch den Verkehr von Boston, sein Ziel war das Grundstück des Bosses, wo Niall vor seiner Flucht gelebt und wo das ganze Unglück begonnen hatte.
"Alice", sagte er betont, "wir haben uns gestritten wie die Kesselflicker und sie hat gesagt, ich solle verschwinden. Ich wollte nicht gehen. Ich hab in der Küche gesessen und gewartet, dass sie sich wieder beruhigt. Dann ist Michael reingekommen, hat mir eine reingehauen und gesagt, wenn ich am Morgen noch da bin, würde er mich kaltmachen."
Die Szene in ein paar nüchternen Sätzen zusammenzufassen und dabei die Panik und Angst von damals außen vor zu lassen, war nicht einfach.
Sean starrte ihn an, verpasste die grüne Ampelphase und

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