Ruchlos
Frühjahr ein Kniegelenk eingesetzt worden. Ich habe mich überzeugen lassen, dass das Beste gerade gut genug ist.« Seine Mimik hatte etwas seltsam Über-den-Dingen-Stehendes. »Der Selbstkostenanteil war recht hoch. Auch, wenn mir das eigentlich egal sein kann, habe ich mir doch im Nachhinein, vor allem nach dem Gespräch mit Frau Gärtner, so meine Gedanken gemacht.«
»Ja, aber …?« Ich verstand überhaupt nichts.
»Ich habe Prostatakrebs. Unheilbar. Die Ärzte haben mir im vergangenen Herbst noch zwei, vielleicht drei Jahre gegeben. So lange müsste doch auch die günstigste Prothese halten, meinen Sie nicht?«
7 . KAPITEL
Das Essen sah ekelhaft aus. Eine breiige, farblose Mischung aus Fisch, Kartoffeln und Gemüse. Ich meinte, Kochschwaden zu riechen, die von dem Teller aufstiegen, und schaffte es gerade noch, in das angrenzende Bad zu gelangen.
»Genau«, sagte Andy, als ich zurück ins Krankenzimmer kam. Er hatte das schwenkbare Tischchen mit der Mahlzeit weit nach hinten gedreht und sich aus der Liegeposition aufgerichtet, saß seitlich auf dem Bett. »Das war’s. Ich unterschreib denen jetzt, was sie wollen, und fahr mit dir nach Hause.«
»Unsinn!« Ich setzte mich neben ihn, strich über seinen Rücken. Er atmete ganz flach. »Ich geb ja zu, davon würde ich keinen Bissen herunterbekommen, aber du kannst doch nach etwas anderem fragen.«
»Vielleicht nach dem Haferschleim von heute morgen? Ich Idiot habe gestern Abend gesagt, dass ich diesen Magen-Darm-Virus hatte, und da haben sie mich auf Schonkost gesetzt. Schonkost!« Er dehnte das Wort angewidert. »Ich bleibe keine Minute länger hier.«
»Es ist noch keine 24 Stunden her, dass du zusammengeschlagen worden bist. Lass dich wenigstens morgen früh noch mal von einem Arzt untersuchen. Der Verband muss doch auch gewechselt werden.« Sanft fuhr ich am Rand des Mullpflasters über seine Wange. »Soll ich dir was zu essen besorgen?« Ich hatte selbst schon wieder grässlichen Hunger.
»Ich will nach Hause, Kirsten! Es geht mir besser, wirklich. Die Rippen tun weh, klar – aber ich will ja auch nicht arbeiten. Ich leg mich aufs Sofa, versprochen.«
»Nein«, sagte ich einfach. Andy war hier eindeutig besser aufgehoben. Außerdem hoffte ich, ihn überreden zu können, sich ein wenig in der Klinik umzuhören. Schließlich beherbergte das Haus, in dem er auf der Station für Unfallchirurgie lag, auch die Orthopädie, wo die künstlichen Gelenke eingesetzt wurden. »Ich schmuggel dir hier rein, was du willst, aber ich nehme dich nicht mit nach Hause.«
Andreas’ Reaktion war eine Mischung aus Unverständnis, Beleidigtsein und Aufbegehren. Als er laut aufstöhnte, zuckte er vor Schmerzen zusammen.
»Ich kann mir auch ein Taxi rufen«, brachte er nach einer Pause mit gepresster Stimme hervor.
»Kannst du.« Ich stand vom Bett auf und stellte mich vor ihn, legte die Hände auf seine Schultern. »Andy, ich brauche dich hier drin.« Vermutlich ließ er sich mit der Aussicht, einem Betrug auf die Spur zu kommen, eher dazu bringen zu bleiben, als mit dem Argument seines Gesundheitszustands.
»Wieso?« Wenigstens schien er neugierig geworden zu sein.
»Warum gehen wir nicht in die Cafeteria und ich erzähle es dir in Ruhe?« Wenn ich nicht bald etwas zu essen bekam, würde mein Kreislauf wieder schlappmachen.
Zum Glück willigte Andy ein und langsam bewältigten wir den Weg in das kleine Selbstbedienungsrestaurant neben dem Haupteingang. Im Wesentlichen wurde hier Kuchen angeboten, es gab aber auch Bockwürste und Kartoffelsalat. Ich trug zwei Portionen an den Tisch am Fenster, durch das man den herrlichen Sonnenschein draußen sehen konnte.
»Solltest du nicht wirklich deinen Magen noch etwas schonen?«
»Nein, nein, das ist schon okay.« Ich konnte nicht verhindern, dass ich lächelte.
»Du willst mir bloß unter die Nase reiben, wie gut es dir geht. Während ich noch aufpassen muss, dass ich nicht total fett werde, wenn ich hier bloß rumliege.«
»Herumliegen würdest du zu Hause auch. Und du kannst ja einfach die Schonkost akzeptieren. Dann nimmst du bestimmt nicht zu«, zog ich ihn auf.
»Ja, ja. Wer den Schaden hat. Also erzähl. Wenn deine Geschichte nicht gut ist, gehe ich sofort los und entlasse mich aus dieser Anstalt. Aber …« Er brach unvermittelt in Lachen aus, zuckte wieder vor Schmerzen zusammen. »Kannst du mir die Wurst kleinschneiden, bitte?« Er hob die rechte, eingegipste Hand an.
Ich prustete los. »Den Brei von oben
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