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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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hatte es fast geschafft, ich hatte praktisch all meine alten Gewohnheiten wieder angenommen und bog eben auf die Zielgerade ein – dieser Tag gehört dir allein, du kannst tun, was du für richtig hältst, Artikel 1 –, als Sarah eines Mittags bei mir aufkreuzte. Ich holte gerade meine Wäsche aus dem Trockner und faltete sie sorgfältig zusammen und war meilenweit davon entfernt, an sie zu denken.
    Sie trat ein, ohne zu klopfen, wie in der guten alten Zeit, nur daß sie diesmal nicht das geringste Lächeln erntete, nicht einmal ein eisiges, nichts, überhaupt nichts.
    - Was ist los …? fragte ich sie. Ist dir meine Adresse wieder eingefallen …?!
    - Ich bin nicht gekommen, um mich mit dir zu streiten, antwortete sie.
    Tausendmal war sie in dieses Haus eingetreten, jedes Molekül der Bude kannte sie, nie hatte es die geringste Verlegenheit zwischen uns gegeben, aber an diesem Morgen hüpfte sie von einem Bein aufs andere, wußte wohl nicht so recht, wo sie sich lassen sollte, ungeschickt sogar die Art und Weise, wie sie ihre Tasche -es sah aus, als hätte sie sich dieser Geste eben erst erinnert – aufs Sofa warf. Ich empfand fast so etwas wie Scham für das, was mit uns beiden geschehen war. Ich ahnte zwar, daß sie gekommen war, um mich etwas zu fragen, aber ihrem Gesicht war nichts zu entnehmen, außer daß sie es nicht eilig hatte, zur Sache zu kommen.
    Ich wandte meinen Blick ab. Glättete einige unschöne Falten auf meinem City Lights -T-Shirt, bevor ich es zu den anderen legte, und fragte sie, ob sie noch lange wie angewurzelt mitten im Zimmer zu stehen gedenke, sie könne sich wie zu Hause fühlen, ich käme sofort. Aber ehrlich, es war ein Jammer.
     
    Sie hatte noch nicht gegessen. Sie hatte nicht viel Zeit, denn sie mußte in die Stiftung zurück, dennoch setzten wir uns mit ein wenig Reis und Tomaten in den Garten, und ich stellte ihr keinerlei Fragen. Ich hatte keine Lust, ihr zu helfen, sah sie kaum an, mein Reis war zu weich, schwer zu schlucken, und ich tat so, als kratze es mich nicht, was sie mir erzählte, wenig Interessantes, nebenbei gesagt, trostlose Banalitäten, die sie herunterleierte, als wollte sie einen Schutzschild zwischen uns aufbauen. Erst als sie auf die Kinder zu sprechen kam, spitzte ich ein Ohr.
    - Gladys hat mich heute morgen angerufen. Ich glaube, zwischen Richard und Vincent steht es nicht zum besten …
    - Aha, er ist bei ihnen …?!
    - Hör mal … Das ist sein Haus, er ist hingefahren, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist …
    - Meine Güte, was für ein Feingefühl!
    Seltsam, jedesmal, wenn ich eine Artigkeit in Richtung Dolbello einfließen ließ, schien sie mich nicht zu hören.
    - Ich weiß nicht genau, was los ist … Aber Gladys hat mich gebeten vorbeizukommen, naja, sie meint, es wäre besser, wenn ich käme …
    - Nun gut, ich nehme an, sie hat ihre Gründe …
    - Dan … Ich will nicht zwischen Richard und Vincent geraten …!
    Obwohl sie mir bei diesen Worten einen verzweifelten Blick zuwarf, schob ich meinen Teller von mir und zerknüllte meine Serviette auf dem Tisch:
    - Gottverflucht nochmal …! Das fällt dir jetzt erst ein …?! Ich durchbohrte sie mit einem finsteren Blick, dann wandte ich den Kopf ab. Die Sonne brutzelte im Gras, an der Grenze zum Sonnenschirm, ich spürte, daß Ärger nahte.
    - Dan … Ich möchte, daß du mit mir kommst …
    Ich gab keine Antwort. Schaute sie nicht an, zuckte mit keiner Faser. Mein Verstand schaltete sehr schnell.
    - Bitte, Dan, bitte … Bist du noch in der Lage, mir einen Gefallen zu tun …?
    - Sowas nennst du einen Gefallen … ?! knurrte ich.
     
    Ich kreuzte in der Abenddämmerung bei ihr auf. Ich schob mein Motorrad in die Garage und schnallte langsam meine Ledertasche vom Gepäckträger, während ich Richards Fahrrad musterte, das an der Decke hing, ein Sportrad, das er jahrelang mit immer höherem Sattel mitgeschleppt hatte und dessen Zeit vorbei war.
    Ich trat durch die Küche ein und schritt ins Wohnzimmer. Es war nicht der Geruch, auch nicht eine gewisse Präsenz, aber ich merkte sehr schnell, daß Dolbello die Räumlichkeiten in Besitz genommen hatte. Vielleicht hatte er sogar meinen Lieblingsplatz mit Beschlag belegt, und jetzt war ich der Eindringling, wo wir einmal dabei waren.
    - Schlappes Pack! knurrte ich die Gegenstände an, die um mich herum waren und sich mit ausweichender Miene abwandten.
    Sie kam die Treppe herab, in ein schmales, lockeres Kostüm gekleidet und mit einem Lächeln, das sie mir

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