Rueckkehr ins Leben
gesungen und getanzt. Während
mich alle bejubelten, wurde ich den älteren Frauen übergeben, die nicht mehr so gut tanzen konnten. Sie hielten mich, lächelten mich an und nannten mich »kleiner Ehemann«. Sie erzählten mir Geschichten über die Gemeinschaft. Immer
wenn ich eine von ihnen anlächelte, behaupteten sie: »Er mag wohl Geschichten. Naja, da ist er bei uns gerade richtig.«
Ich lächelte ein bisschen, denn ich konnte das glückliche Gesicht meiner Großmutter am Ende der Geschichte vor mir
sehen. Ein paar meiner Reisegefährten schnarchten, während der Wind gegen Ende der Nacht meine Lider schwer werden
ließ.
Als wir am nächsten Morgen aufwachten, war das geräu-
cherte Fleisch weg. Wir fingen an, uns gegenseitig zu be-
schuldigen. Kanei begutachtete Musas Lippen. Musa wurde
wütend, und alle fingen an, aufeinander einzuschlagen. Ich wollte sie gerade trennen, als Saidu auf den zerschlissenen Beutel am Rande der Veranda deutete.
»Das ist doch der Beutel, oder?« sagte er und deutete auf dessen zerkaute Nähte. »Das war keiner von uns. Seht mal, der Beutel ist noch zugebunden.« Er zeigte es uns. »Irgendwas anderes hat das Fleisch gegessen, und was auch immer das
war, es ist bestimmt noch in der Nähe.« Er hob einen Stock auf und ging auf die Büsche zu.
»Siehst du, ich war’s nicht.« Musa schubste Kanei aus dem Weg und lief Saidu nach.
»Das war irgendein Tier«, sagte Moriba und untersuchte
die Spuren, die das Wesen auf dem Boden hinterlassen hatte.
89
Ein paar sahen sich im Dorf um, während die anderen den
Abdrücken der Kreatur den Pfad zum Fluss hinunter folgten.
Wir wollten die Suche schon aufgeben, als Saidu hinter der Vorratskammer rief:
»Ich hab den Dieb gefunden, er ist sehr wütend.«
Wir rannten hin, um zu sehen, was es war. Da war ein
Hund, der gerade das letzte Stück des geräucherten Fleisches verschlang. Als er uns sah, fing er an zu bellen und stellte sich mit den Hinterbeinen schützend vor das Fleisch.
»Du böser Hund. Das gehört uns.« Alhaji nahm Saidu den
Stock ab und verjagte das Tier. Der Hund hatte das letzte Stück Fleisch noch im Maul, als er im Gebüsch verschwand.
Mit einem Kopfschütteln nahm Saidu den Wasserkanister und ging Richtung Pfad. Wir folgten ihm, Alhaji noch immer mit dem Stock in der Hand.
An jenem Nachmittag durchsuchten wir die Büsche nach
essbaren Früchten, egal was, Hauptsache essbar. Wir sprachen nicht viel unterwegs. Am Abend machten wir halt, um uns
am Wegesrand auszuruhen.
»Ich hätte den Hund töten sollen«, sagte Alhaji langsam
und rollte sich auf den Rücken.
»Wieso?«, fragte ich.
»Ja wieso? Was hätte das denn gebracht?« Moriba setzte
sich auf.
»Einfach so, weil er unser letztes Essen gefressen hat«, sagte Alhaji wütend.
»Der hätte gutes Fleisch abgegeben«, sagte Musa.
»Das glaub ich nicht. Außerdem wäre es schwierig gewe-
sen, es zu kochen.« Ich drehte mich zu Musa um, der neben mir auf dem Rücken lag.
»Ihr widert mich an, dass ihr an so was auch nur denken
könnt«, zischte Jumah verächtlich.
»Also gut.« Musa stand auf.
»Er erzählt wieder eine Geschichte«, seufzte Alhaji.
Musa drehte sich zu Alhaji um. »Naja, nicht direkt eine
Geschichte.« Er hielt inne und fuhr dann fort. »Mein Vater hat für Leute aus Malaysia gearbeitet und mir erzählt, dass die Hunde essen. Wenn Alhaji den Hund getötet hätte, hätte ich 90
gerne was davon probiert. Wenn ich meinen Vater wiederse-
he, hätte ich ihm erzählen können, wie’s geschmeckt hat. Er wäre nicht böse auf mich gewesen, weil ich einen guten
Grund hatte, Hundefleisch zu essen«, schloss Musa.
Wir wurden still, dachten an unsere Familien. Musa hatte
uns alle an etwas erinnert, an das zu denken wir uns fürchteten. Zum Zeitpunkt des Angriffs war Musa mit seinem Vater zu Hause in Mattru Jong gewesen. Seine Mutter war auf den Markt gegangen, um Fisch für das Abendessen zu kaufen. Er und sein Vater waren zum Markt gerannt und hatten seine
Mutter gefunden, doch als sie aus der Stadt hinausliefen, war seine Mutter aus irgendeinem Grund zurückgeblieben. Sie
merkten erst, dass sie nicht mehr bei ihnen war, als sie im ersten Dorf, das sie erreichten, haltmachten. Sein Vater weinte und sagte Musa, er solle dort bleiben, während er zurückgehen und seine Frau suchen wollte. Musa sagte seinem Va-
ter, dass er mit ihm zurückgehen wolle. »Nein, mein Sohn, bleib hier, und ich bringe deine Mutter zurück.« Kaum war
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