Rueckkehr ins Leben
Minute an, in der sie hinter den Wolken hervortrat, ihre goldenen Strahlen verdunkelten
meinen Blick. Die Wolken am blauen Himmel segelten mit
Wucht und zerstörten die Anordnung der anderen.
Eines Nachmittags, als wir in einem verlassenen Dorf nach Essen suchten, fiel eine Krähe vom Himmel. Sie war nicht
tot, konnte aber nicht mehr fliegen. Wir wussten, dass dies ungewöhnlich war, aber wir brauchten etwas zu essen, und
zu jenem Zeitpunkt war uns alles recht. Als wir das Tier rupf-ten, fragte Moriba, welcher Tag heute sei. Wir dachten alle eine Weile darüber nach, versuchten uns zu erinnern, an welchem Tag wir zuletzt ein normales Leben geführt hatten. Kanei brach das Schweigen.
»Es ist ein Feiertag«, lachte er. »Den kann man nennen,
wie man will«, fuhr er fort.
»Aber es ist nicht bloß ein Tag, es ist ein komischer Tag.
93
Ich hab kein gutes Gefühl«, sagte Musa. »Vielleicht sollten wir den Vogel nicht essen.«
»Also, wenn der Sturz dieses Vogels ein Zeichen dafür
war, dass ein Fluch auf uns liegt oder wir Pech haben, dann stimmt beides. Ich jedenfalls esse ihn auf. Du kannst machen, was du willst.« Kanei fing an, vor sich hin zu summen.
Kaum hatte Kanei aufgehört zu summen, wurde die Welt
unheimlich still. Der Wind und die Wolken bewegten sich
nicht, die Bäume standen reglos da, als würden sie auf etwas Unvorstellbares warten.
Manchmal spricht die Nacht zu uns, aber wir hören meist
nicht zu. Die Nacht, die auf den Tag folgte, an dem wir den Vogel gegessen hatten, war zu dunkel. Am Himmel waren
keine Sterne, und als wir gingen, schien sich die Dunkelheit zu verdichten. Wir befanden uns auf keinem überwucherten
Waldweg, trotzdem konnten wir einander kaum ausmachen.
Wir hielten uns deshalb an den Händen und gingen immer
weiter, weil wir nicht mitten im Nichts haltmachen konnten, obwohl uns danach war. Stunden später kamen wir an eine
wacklige Holzbrücke. Der Fluss darunter floss so ruhig, als würde er schlafen. Gerade als wir die Brücke betreten wollten, hörten wir von der anderen Seite Schritte auf uns zukommen. Wir ließen unsere Hände los und versteckten uns
im nahe gelegenen Gebüsch. Ich lag neben Alhaji, Jumah und Saidu.
Da waren drei Personen. Sie hatten weiße Hemden an.
Zwei von ihnen waren gleich groß, einer war etwas kleiner.
Unter den Armen trugen sie Stoff. Auch sie hielten sich an den Händen, und als sie die Brücke an der Stelle verließen, an der wir lagen, blieben sie stehen, als spürten sie unsere Gegenwart. Sie nuschelten etwas. Was sie sagten, war schwer zu verstehen, denn ihre Stimmen klangen wie Bienen, als würde ihnen etwas die Nasen verstopfen. Nachdem sie fertig getu-schelt hatten, begannen die beiden Größeren, an dem Kleineren zu ziehen. Einer wollte, dass sie in unserer Richtung gingen, der andere bestand darauf, dass sie sich in entgegengesetzter Richtung fortbewegten. Ihr Streit ließ mein Herz
schneller schlagen, und ich strengte mich an, ihre Gesichter 94
zu erkennen, aber es war zu dunkel. Nach ungefähr einer
Minute entschieden sie sich, in die Richtung weiterzugehen, aus der wir gekommen waren.
Wir brauchten ein paar Minuten, bis wir aus den Büschen
gekrabbelt waren. Wir alle atmeten schwer und konnten
nicht sprechen. Kanei flüsterte unsere Namen. Als er Saidus Namen sagte, antwortete Saidu nicht. Wir suchten ihn im
Gebüsch. Er lag still da. Wir schüttelten ihn heftig, riefen seinen Namen, aber er blieb stumm. Alhaji und Jumah begannen zu weinen. Kanei und ich zogen Saidu auf den Pfad
und setzten uns neben ihn. Er lag einfach nur da. Meine
Hände fingen an, unkontrolliert zu zittern, während wir
schweigend dort in der Nacht saßen. Mein Kopf wurde
schwer und ich dachte darüber nach, was wir tun sollten. Ich weiß nicht mehr, wer von uns flüsterte: »Vielleicht war es der Vogel, den wir gegessen haben.« Die meisten meiner Reisegefährten fingen an zu weinen, aber ich konnte nicht. Ich saß nur da und starrte in die Nacht, gerade so, als suchte ich etwas.
Es gab keinen langsamen Übergang zwischen Tag und
Nacht. Vielmehr zog sich die Dunkelheit rasch zurück und
ließ das Licht des Himmels auf uns fallen. Wir saßen alle mitten auf dem Pfad. Saidu war immer noch still. Auf seiner
Stirn stand Schweiß, und sein Mund war leicht geöffnet. Ich legte meine Hand an seine Nase, um zu sehen, ob er noch
atmete. Alle standen auf, und als ich meine Hand wegzog,
sahen sie mich an, als erwarteten sie, dass ich etwas
Weitere Kostenlose Bücher